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London

London

Titel: London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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schlurfte wieder zurück, wandte sich erneut um, machte nach ein paar Schritten wieder kehrt. Leofric sah seinem Freund eine Weile zu, bevor er sich anschickte, zu ihm hinzugehen. Doch offensichtlich hatte nun auch Barnikel ihn bemerkt, denn er machte sich flink in Richtung der Geflügelstände davon und verschwand hinter ein paar Buden. Was war nur mit ihm los?
    Einen Tag nach diesem Vorfall ging Hilda mit Barnikel Richtung St. Clement Danes spazieren. Ihr Leben war in ruhigen Bahnen verlaufen. Sie hatte ein weiteres Kind bekommen und sich mit ihrem Schicksal abgefunden, soweit eine enttäuschte Frau dies tun kann. Die keuschen Begegnungen mit dem Dänen waren wahrscheinlich ihre größte Freude.
    Doch vor einer Weile hatte sie an ihrem Freund eine Veränderung bemerkt. Plötzlich wirkte er älter. Die grauen Haare in seinem roten Bart schienen stärker aufzufallen; ein leichtes Zittern in seiner Hand ließ sie wissen, daß er manchmal zuviel trank.
    Da ihr Vater ihr von der merkwürdigen Szene im Judenviertel berichtet hatte, fragte sie ihren alten Freund nun vorsichtig, ob denn alles in Ordnung sei. Anfangs wollte er nicht darüber sprechen, doch als sie bei dem kleinen, inzwischen verfallenen Pier in Aldwych angekommen waren, setzte er sich auf einen Stein, blickte traurig auf die Themse und gestand ihr schließlich alles.
    Er stand vor einem ständig wachsenden Schuldenberg. Seit der Eroberung litten viele dänische Händler unter der Konkurrenz der Normannen. Vor kurzem waren den Londonern hohe Steuern auferlegt worden, mit denen König Wilhelm seine Burgen finanzierte. Barnikel brauchte Geld. »Ich muß also demnächst zu den Juden gehen«, sagte er düster. »Ich habe zwar oft genug Geld verliehen, aber mir niemals welches leihen müssen.«
    »Aber Silversleeves schuldet dir doch Geld?« fragte sie.
    Er nickte. »Dafür zahlt er die Zinsen.«
    »Warum forderst du es nicht zurück?« wollte sie wissen.
    »Dann weiß der Normanne, daß ich es brauche. Dann sieht er mich zu Kreuze kriechen. Niemals! Lieber gehe ich zu den Juden«, antwortete er heftig und sprang auf.
    Hilda wunderte sich wieder einmal über die Eitelkeit der Männer, doch dann fiel ihr ein, wie ihrem Freund vielleicht zu helfen war. An diesem Abend besuchte sie ihren Vater und schlug ihm vor: »Geh zu Silversleeves. Sag ihm nicht, daß Barnikel Probleme hat oder daß ich mit dir gesprochen habe. Sag ihm nur, daß die Schuld auf deinem Gewissen lastet, und bitte ihn, sie zurückzuzahlen.«
    Leofric nickte nachdenklich. »Du magst Barnikel, nicht wahr?«
    »Ja«, sagte sie nur.
    »Es tut mir leid, daß ich dich mit Henri verheiratet habe«, sagte Leofric leise.
    »Das glaube ich dir nicht«, erwiderte seine Tochter trocken. »Aber tu bitte dennoch, um was ich dich gebeten habe!« Damit ging sie nach Hause.
    Am Ende des Jahres 1083 machte sich König Wilhelm von England immer mehr Sorgen um sein Inselkönigreich, denn die Nordmänner schienen eine umfangreiche Verschwörung zu planen. Der Ursprung lag in Dänemark, wo ein neuer König, ein weiterer Knut, es kaum erwarten konnte, sich in ein neues Wikingerabenteuer zu stürzen. Seine Gesandten hatten bereits mit den Rivalen des normannischen Eroberers, dem neidischen König von Frankreich und dem säbelrasselnden König von Norwegen, Verhandlungen aufgenommen.
    Selbst auf seine eigene Familie konnte der Eroberer sich nicht verlassen. Sein Sohn Robert hatte bereits einmal, unterstützt vom französischen König, versucht, zu rebellieren, und vor kurzem hatte sich Wilhelm gezwungen gesehen, seinen Halbbruder Odo, den kämpferischen Bischof von Bayeux, wegen Verdachts auf Verrat in den Kerker zu werfen.
    Solche Gerüchte gaben Barnikel natürlich Auftrieb. »In ein oder zwei Jahren könnten wir wieder einen Knut auf dem Thron von England haben«, meinte er begeistert zu Alfred. Warum war dieser bloß so zurückhaltend?
    Schon seit geraumer Zeit machte sich Alfred Gedanken über seine Beziehung zu dem Dänen. Seit ihrem letzten Waffentransport waren fünf Jahre vergangen, fünf Jahre, in denen Alfred sich als Waffenschmied im Tower Vertrauen erworben hatte. Er hatte für Ralph ein Kettenhemd und für Mandeville persönlich ein Schwert angefertigt. Er hatte seine Kinder großgezogen und in Sicherheit gelebt.
    Alle paar Monate war Barnikel zu ihm gekommen und hatte ihn um Waffen gebeten. Niemals viele auf einmal, immer nur so viele, wie er, ohne Argwohn zu erregen, herstellen und an diversen Stellen unter

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