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Londons Albtraum-Nächte

Londons Albtraum-Nächte

Titel: Londons Albtraum-Nächte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Plötzlich dachte sie wieder an die tote Mitbewohnerin. Von Ratten war sie nicht getötet worden. Genaues über ihren Mörder wusste sie nicht, aber es hatten sich schon Gerüchte gehalten, und in ihnen war von einem grässlichen Untier gesprochen worden.
    Untier, Kreatur, Monster...
    Diese Begriffe wollten nicht aus ihrem Kopf verschwinden, während sie weiterhin den Druck auf ihrer Schulter spürte. Und noch etwas geschah. Die Ratten blieben nicht mehr hocken. An verschiedenen Stellen spürte sie das Zupfen der Krallen, als sich die Tiere abstießen, und dann konnte sie hören, wie sie zu Boden sprangen. Ob sie wegtrippelten, erfasste sie nicht mehr, aber es gab den unheimlichen Besucher, dessen Hand oder Pranke sie nach wie vor berührte.
    Die Hand bewegte sich, Finger zogen sich zusammen. Sie umklammerten die linke Schulter der Frau.
    Der Eindringling zog sie hoch.
    Es war nicht zu fassen. Er musste nicht mal seine Pranke von ihrer Schulter lösen. Mary versuchte, sich schwer zu machen, aber das half ihr nicht weiter.
    Wie eine große Puppe hob man sie hoch. Sie sah Speichel aus ihrem Mund fließen und auf den Stoff tropfen. Sie hörte sich selbst jammern, erlebte den Ruck, die Drehung – und wurde auf die Füße gestellt.
    Zum ersten Mal sah sie den Eindringling. Und sie wusste nicht, was sie denken sollte. Es war einfach zu schrecklich. So etwas kannte sie nicht. Vielleicht aus einem Film, aber wenn Szenen mit derartigen Geschöpfen über den Bildschirm huschten, hatte sie immer schnell weggeschaltet.
    Ein Mensch?
    Nein, das war für sie kein Mensch mehr. Es war eine Mischung aus Mensch und Tier. Ein Unhold mit dunklen Augen, die tief in den Pupillenschichten grün schimmerten.
    Und dabei besaß dieses Wesen ein Gesicht. Eine Nase, ein Maul mit breiten kräftigen Zähnen, die nicht mal spitz waren. Dieses Gesicht hätte im Extremfall auch zu einem Menschen gehören können, wenn es nicht etwas anderes gegeben hätte, was einfach nicht zu einem Menschen passte.
    Zuerst hatte sie an einen Bart gedacht. Das stimmte jedoch nicht, denn bei genauem Hinschauen entdeckte sie, dass es sich bei diesem »Bart« um ein Fell handelte. Es umwucherte den gesamten Kopf, und es wuchs dabei bis in das Gesicht hinein. Zwei Farben verteilten sich darin. Auf der einen Seite schimmerte es hell, auf der anderen waren dunkle Streifen darin zu erkennen. Sie dachte daran, dass sie bei Katzen oder mit ihnen verwandten Tieren ein derartiges Fell schon gesehen hatte. Es blieb nicht nur auf den Kopf beschränkt, es verteilte sich auf dem gesamten Körper, der völlig nackt war und von keinem Kleidungsstück bedeckt wurde. Wenn jemand einen Fellmantel trug, hätte es kaum anders ausgesehen, aber das hier war kein Mantel.
    Mary Sanders stockte der Atem. Es war einfach unbeschreiblich und unfassbar, was sie hier sah.
    Er ist der Killer!, durchfuhr es sie.
    Er hat sich Linda Perth geholt, und jetzt bin ich an der Reihe.
    Die Hände hatte sie noch nicht zu Gesicht bekommen. Dafür sah sie die Arme, und das reichte ihr, denn auch auf ihnen wuchs das Fell, und sie stellte sich vor, dass diese Bestie keine Nägel besaß, sondern verfluchte Krallen.
    Mensch? Tier? Oder beides?
    Mary hatte noch immer keine Antwort gefunden. Aber der Schock des ersten Augenblicks war verschwunden. Ihr Gehirn arbeitete wieder. Sie begann klarer zu denken, und sie dachte daran, dass man ihr mal geraten hatte, bei großer Gefahr nur nicht die Nerven zu verlieren und einfach zu reden. Durch das Sprechen hatte man die Chance, den Angreifer abzulenken.
    Das tat sie auch. Hektisch, schnell, flüsternd. »Bitte, was ist? Ich... ich habe dir nichts getan. Warum bist du gekommen? Wer bist du? Wo kommst du her? Bist du ein Mensch oder...«
    Sie hörte auf, weil sie das Kopfschütteln gesehen hatte. Aus den Tiefen der Kehle drang ihr ein schrecklicher Laut entgegen.
    »Ich habe dir nichts getan«, schluchzte Mary. »Du bist stärker als ich. Bitte, ich möchte mein Leben behalten, ich will nicht sterben. Du hast keinen Grund. Du bist... ich kann nicht...«
    Er hatte sie verstanden, denn er schüttelte den Kopf, und Mary verstand diese Geste.
    Er kam ihr nicht entgegen. Er hörte nicht auf sie. Er wollte es knallhart durchziehen. Es gab kein Pardon. Einmal schon hatte er zugeschlagen, und er würde es auch ein zweites Mal tun. Es würde auch nichts mehr bringen, wenn sie es noch mal mit Reden versuchte. Es war unmöglich, ihn zum Reden zu bringen, und wahrscheinlich schaffte er

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