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Long Dark Night

Long Dark Night

Titel: Long Dark Night Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ed McBain
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gedrückt hatte, manchmal sogar ununterbrochen ein paar Minuten lang, wenn er an der Ecke Silvermine und Sixteenth stand und der infernalischen, unaufhörlichen Kakophonie der Hupen lauschte.
    »Was passiert, wenn so ein Autofahrer einen Strafzettel bekommt?«
    »Er bezahlt ihn. Wenn er ihn nicht bezahlt, wird er angezeigt. Und wenn er bei der Gerichtsverhandlung schuldig gesprochen wird, bekommt er eine Geldbuße.«
    »Wie hoch ist die Geldbuße?«
    »Tja, das müßte ich nachsehen, Sir.«
    »Würden Sie das bitte tun?«
    »Jetzt sofort, meinen Sie?«
    »Ja.«
    »Das geht zur Zeit nicht, Sir. Wir haben ziemlich viel zu tun.«
    »Danke«, sagte er und legte auf.
    Er blieb eine Weile mit gebeugtem Kopf sitzen, die Hand auf dem Telefonhörer. Draußen war der Lärm gnadenlos. Schließlich stand er auf, ging zum Fenster, riß es weit auf und setzte sich den winterlichen Windstößen und der Attacke der Hupen aus.
    »Seid still«, flüsterte er dem Verkehr unter ihm zu. »Seid still, seid still, seid still, seid still, seid still, seid still, seid still!« schrie er.
    Zehn Minuten später erschoß er einen Taxifahrer, der auf der Rampe zur Hamilton Bridge auf die Hupe drückte.
     
    7
     
    Der Wagen sah aus, als käme er frisch aus dem Ausstellungsraum. Der schwarze Richard hatte ihn noch nie so blitzblank gesehen. Er sagte zu den drei reichen weißen Arschlöchern, sie sollten sich als Autowäscher selbständig machen. Alle vier lachten.
    In einer Bodega, nicht weit von der Waschanlage entfernt, kauften sie eine Dose Spiritus. Dann gingen sie weiter, bis sie ein rußverschmiertes Ölfaß fanden, in dem schon hundert Feuer angezündet worden waren. Wenn es kalt wurde, scharten sich die Obdachlosen in dieser Gegend um die großen Ölfässer und zündeten ein Feuer an. Manchmal rösteten sie Kartoffeln darüber, aber hauptsächlich hielten sie sich an ihnen warm. In den Obdachlosenheimen war es vielleicht wärmer, aber dort war auch die Chance größer, überfallen oder vergewaltigt zu werden. Wenn man hier draußen um ein Feuer in einem Ölfaß stand und sich die Hände und den Arsch verbrannte, kam man sich vor wie ein Cowboy in der Prärie.
    Sie entfachten das Feuer mit Holz, das sie auf einem leeren Grundstück sammelten, mit alten Zeitungen, Bilderrahmen ohne Glas, Holzstühlen mit abgebrochenen Beinen, einer Kommode, der die Schubladen fehlten, zusammengerollten und vergilbten Telefonbüchern, Besenstielen, mit allem, was sie an Brennbarem fanden. An vielen Straßen in dieser Stadt erinnerte der auf den unbebauten Grundstücken abgeladene Schutt an einen Kriegsschauplatz. Als das Feuer loderte und knisterte, warfen sie das blutige Laken und die Lappen hinein und schoben sie mit Hilfe eines Besenstils in den Flammen hin und her. Richard der Erste sang »Double, double toil and trouble«, und Richard der Zweite fiel mit »Fire burn and cauldron bubble« ein, was der schwarze Richard für den Gesang einer studentischen Verbindung hielt.
    Sie warteten bei dem Ölfaß, bis alles darin zu Asche verbrannt war. Nun ja, nicht alles. Ein Teil des Holzes darin schwelte noch und verwandelte sich langsam in Holzkohle. Aber alles, was ihnen Kopfzerbrechen bereitete, war jetzt Geschichte. Keine blutigen Laken mehr, keine blutigen Lappen. Puff. Alles weg.
    »Jetzt machen wir einen drauf«, sagte Richard der Erste.
     
    Der Mann, der an Meyer Meyers Schreibtisch saß, hieß Randolph Hurd. Er war klein und schlank, fast so kahl wie Meyer selbst und trug einen braunen Anzug mit Weste, eine dezente, dazu passende Krawatte, braune Schuhe und braune Socken. Ein völlig farbloser Mann, der kaltblütig einen Taxifahrer getötet hatte und von einem Verkehrspolizisten verhaftet worden war, bevor er sich sechs Schritte vom Tatort entfernt hatte. Die mit einem Schildchen versehene und eingetütete Mordwaffe lag auf Meyers Schreibtisch. Hurd hatte Meyer gerade von all den Anrufen erzählt, die er an diesem Morgen getätigt hatte. Seine braunen Augen waren feucht, als er fragte: »Ist grundloses Hupen kein Gesetzesverstoß?«
    Es gab sogar zwei Vorschriften gegen grundloses Hupen, und Meyer war mit beiden vertraut. Die erste war in Paragraph 34 der städtischen Straßenverkehrsordnung verankert, die Teil der Städtischen Verordnungen war. Paragraph 34 regelte den Straßenverkehr, und Abschnitt 4 befaßte sich mit den Verkehrsregeln. Abschnitt 4, Unterabschnitt 12(i) besagte:
    Die Hupe darf nur im Gefahrenfall betätigt werden. Niemand darf die

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