Long Dark Night
verstummten. Es war Mitternacht. Montag.
Und es schneite noch immer. »Hören wir uns mal um.«
Der Techniker, der Fat Ollie Weeks am liebsten zum Teufel gewünscht hätte, brachte ihm trotzdem die Ergebnisse der Untersuchung, gerade als er ein paar Minuten nach Mitternacht das Revier verlassen wollte. Abgesehen von den Namensschildern auf den Schreibtischen und den Dienstplänen war das 88. Polizeirevier fast ein genaues Duplikat des 87. oder auch jeder anderen Polizeidienststelle in der Stadt. Selbst die neueren Gebäude sahen schon nach kurzer Zeit schäbig und heruntergekommen aus; früher oder später schien sie eine apfelgrüne Fahlheit zu überkommen. Als Ollie das gesprenkelte Zifferblatt der Wanduhr betrachtete, fiel ihm ein, daß er dem Techniker gesagt hatte, er wolle das Zeug um Viertel vor haben, und dachte bei sich, der Techniker könne von Glück reden, daß er noch hier war, sonst hätte er ihm bei nächster Gelegenheit den Arsch aufgerissen. Er klappte den Verschluß der Jiffytasche auf und zerrte den Bericht heraus.
Keine Fingerabdrücke auf den Champagnerflaschen und dem Messer, mit dem man Jamal die Kehle durchgeschnitten hatte. Keine Fingerabdrücke auf den Armaturen im Bad oder den Türknöpfen in der Wohnung. Das hieß, falls tatsächlich eine oder mehrere andere Personen in dem Apartment gewesen waren, hatten sie jede Menge Kriminalfilme gesehen und wußten, daß man hinter sich alles abwischte. Also konnten sie die Fingerabdrücke auf der roten Kunstlederhandtasche lediglich mit denen der Leichen vergleichen. Der Labortechniker hatte sie den beiden Steifen im Bad pflichtschuldig abgenommen und Kopien davon beigelegt. Die kleineren Abdrücke auf der Tasche waren mit denen einer Frau namens Yolande Marie Marx identisch, deren in Ohio ausgestellten Führerschein Ollie in der roten Handtasche aus Kunstleder gefunden hatte. Offensichtlich lag Yolande nun in der Leichenhalle des Buenavista Hospital. Die Fingerabdrücke, die der Techniker von der Spurensicherung von ihrer Tasche abgenommen hatte, identifizierten sie als weiße, neunzehnjährige Ladendiebin und Prostituierte mit einem Vorstrafenregister, dessen erste Einträge schon ein paar Jahre zurücklagen. Die anderen Abdrücke auf der Tasche stimmten mit denen des verstorbenen Richie Cooper überein.
Dem Bericht zufolge hatte Jamal Stone die Tasche nicht angerührt.
Ollie las weiter.
Haare hatten sie eine Menge gefunden, und nicht alle davon stammten von den Köpfen der unglückseligen Opfer. Einige waren blond und hatten einmal auf den Kopf der Toten gehört. Fasern aus dem Staubsauger paßten zu denen von dem kurzen schwarzen Rock und der falschen roten Pelzjacke, die sie zum Zeitpunkt ihres Todes getragen hatte.
Es gab noch weitere Fasern und noch weitere Haare. Es gab eine stattliche Zahl dunkelblauer Wollfasern. Sie gehörten nicht zu der Kleidung der beiden Opfer. Es gab rote Haare. Und schwarze Haare. Und blonde Haare. Einige davon waren Kopfhaare. Andere waren Schamhaare. Es waren Haare von weißen Menschen. Von Männern.
Drei weiße Männer, zwei tote schwarze Deppen und eine tote weiße Nutte, dachte Ollie und furzte.
Der spanische Begriff El Castillo de Palacios wäre grammatikalisch falsch, wäre Palacios kein Eigenname, was in diesem Fall aber zufällig so war. Palacio bedeutet auf Spanisch »Palast«, und Palacios bedeutet »Paläste«, und bei der Pluralform eines Substantivs müssen der Artikel und das Substantiv übereinstimmen, ganz im Gegensatz zur englischen Sprache, in der man einfach alles mit einem »the« zusammenfügen kann, Gott sei Dank. El Castillo de los Palacios wäre der richtige spanische Ausdruck für »Das Kastell der Paläste« gewesen, doch da Francisco Palacios eine Person war, war El Castillo de Palacios schon richtig.
Francisco Palacios war ein gutaussehender Mann, und er war sauber, nun, da er wegen Einbruchs drei Jahre in einem Gefängnis außerhalb der Stadt gesessen hatte. Ihm gehörte ein freundlicher kleiner Laden, in dem er Naturheilkräuter, Traumbücher, religiöse Statuen und Schriften, Tarotkarten und dergleichen verkaufte. Seine stillen Partner hießen Gaucho Palacios und Cowboy Palacios, und sie führten einen Laden hinter dem anderen Laden, in dem sie solche medizinisch anerkannten Mittel der Ehehygiene wie Dildos verkauften, oder Klitorisstimulatoren, Höschen mit offenem Schritt (bragas sin entrepierna), Plastikvibratoren (zwanzig und fünfundzwanzig Zentimeter in weißer
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