Long Dark Night
sie.
»Gibt es hier Hafergrütze, Sally?«
»Nein, Sir.«
»Und wie sieht’s mit Maisbrei aus?«
»Nein, Sir.«
»Wie wäre es dann mit einer schönen heißen Tasse Kaffee? Und einen von den Donuts da.«
»Ja, Sir«, sagte sie.
Ollie sah sich wieder in dem Lokal um. Jedesmal, wenn sein Blick auf jemanden fiel, der in dieser Nacht unterwegs gewesen war und jemanden zum Opfer gemacht hatte, wichen Augen ihm aus. Gut, dachte er. Scheißt euch in die Hosen. Sally kam und brachte seinen Kaffee und den Donut.
»Ich bin Polizist«, sagte er und zeigte ihr seine Marke.
»Haben Sie hier Samstag nacht um diese Zeit gearbeitet, das heißt, etwas später?«
»Habe ich«, sagte sie.
»Ich suche eine Blondine in einem schwarzen Minirock und einer roten Pelzjacke.«
Er erwähnte nicht, daß sie tot war.
»Der Pelz war falsch«, sagte er. »Das Blond auch.«
»Von denen gibt es hier eine Menge«, sagte Sally und deutete mit einer kaum merklichen Kopfbewegung an, daß viele von denen genau in diesem Augenblick hier an den Tischen saßen, genau hinter Ollie.
»Was ist mit Samstag? Erinnern Sie sich an eine Blondine in einer roten Pelzjacke?«
»Ganz bestimmt nicht«, sagte Sally.
»Was ist mit drei weißen Männern in blauen Parkas mit Kapuzen?«
»Nee.«
»Oder ein Schwarzer in einer schwarzen Lederjacke?«
»Wir haben hier Tausende von Schwarzen in schwarzen Lederjacken.«
»Die drei Weißen müßten in die Gosse gepinkelt haben.«
»Wo?«
»Da draußen«, sagte Ollie und nickte über die Schulter zur Vorderseite des Diners.
»Bei diesem Wetter?« Sally lachte. Ollie fiel in ihr Lachen ein.
»Bei dem Wetter braucht man doch zusätzliche Unterwäsche, um sein bestes Stück warm einzupacken«, sagte Sally.
»Der Schwarze müßte aus dem Lokal gerannt sein, um sie fortzujagen.«
»Das kann ich ihm nicht verübeln«, sagte Sally und lachte wieder.
Ollie stimmte in ihr Lachen ein.
»Woher wissen Sie all diese interessanten Einzelheiten?« fragte Sally.
Ollie kam zum Schluß, daß sie mit ihm flirtete. Viele Frauen bevorzugten Männer, die gut beieinander waren, wie er es nannte.
»Das haben mir drei Schwarze auf der Straße erzählt«, sagte er.
»Ach, die drei.«
»Sie kennen sie?«
»Die sind jede Nacht da draußen.«
»Ja?«
»Ja, die sind verrückt.«
»Ja? Verrückt?«
»Ja, die sind erst vor ein paar Monaten aus Buenavista entlassen worden.«
»So, so, Buenavista also?«
»Ja. Ich verrate Ihnen mal, wie das so abläuft. In diesen psychiatrischen Anstalten geben sie diesen Psychos solange Medikamente, bis ihr Zustand stabil ist. Dann lassen sie sie mit Rezepten wieder auf die Straße, die sie doch nicht einlösen. Und bevor man sich versieht, spinnen sie schon wieder herum. Letztens habe ich einen Mann gesehen, der sich mit einem Briefkasten unterhielt, können Sie sich so was vorstellen? Die drei Typen da draußen stehen die ganze Nacht lang um dieses Feuer herum, als wäre es eine Art Altar. Der, der wie Morgan Fairchild aussieht…«
»So heißt er!« sagte Ollie und schnippte mit den Fingern.
»Das ist der verrückteste von allen. Ich würde alles, was er sagt, mit Vorsicht genießen.«
»Er hat mir gesagt, die drei Weißen hätten in den Rinnstein gepinkelt, als dieser Schwarze in der schwarzen Lederjacke hier herausstürmte und ihnen befahl, damit aufzuhören.«
»Nee«, sagte Sally. »Glauben Sie das nicht.«
»Haben Sie Samstag nacht allein hier gearbeitet?« fragte Ollie listig.
Er verbrachte die nächste Viertelstunde damit, mit einer anderen Kellnerin, dem Koch und dem Kassierer zu sprechen, der zugleich der Leiter der Nachtschicht war. Keiner von ihnen hatte drei Weiße in Kapuzenparkas gesehen, die in den Rinnstein pinkelten. Und obwohl sie alle ein halbes Dutzend Schwarze in schwarzen Lederjacken gesehen hatten, hatte keiner von ihnen beobachtet, daß einer von denen auf die Straße gelaufen wäre, um eine Urinierorgie zu unterbinden.
Fünf Minuten, nachdem Ollie das Diner verlassen hatte, kam Curly Joe Simms herein.
In keinem der Telefonbücher der fünf Stadtteile war ein Bernie Himmel oder Bernard Himmel verzeichnet. Auf die vage Möglichkeit hin, daß Barkeeper Marvin den Nachnamen von Bernie dem Buchmacher falsch verstanden hatte, sahen sie auch die Einträge unter HIMMER und HAMMIL durch, fanden aber keinen mit dem passenden Vornamen. Es gab zwei B. HEMMER, aber die entpuppten sich - welche Überraschung! - als Frauen, die gar nicht begeistert darüber waren,
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