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Long Reach

Long Reach

Titel: Long Reach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Cocks
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Die Stimme kam aus dem Halbdunkel.
    Aus meinem Bett.
    »Anna?«
    Sie setzte sich auf und zog die Decken zurück. »Rein mit dir«, sagte sie.

Zwölf
    Ich wachte früh auf. Die Sonne schien schon durchs Fenster. Ich war alleine: Sie war fort. Nur der Abdruck im Kissen und ein Hauch ihres Parfums bestätigten mir, dass sie jemals hier gewesen war.
    Tony Morris kam gegen halb elf, um mich abzuholen. Sonst war niemand da, um sich von mir zu verabschieden. Anscheinend waren sie schon alle nach London zurückgefahren. Mir wurde langsam klar, dass Gefühle in diesem Spiel außen vor blieben. Anna hatte sich noch nicht mal verabschiedet oder einen Zettel hinterlassen. Tonys Warnung, niemandem zu nahe zu kommen, besonders nicht anderen Agenten, war offensichtlich berechtigt. Ein Zettel wäre ein handfestes Zeichen von Nähe gewesen.
    Da blieb nur, sich innerlich anzupassen.
    Als ich meine Tasche in den Kofferraum warf, kamen einen Moment lang wieder die Erinnerungen an die frühen Morgenstunden in mir hoch.
    Ich stieg ins Auto. Tony sah ehrlich froh aus, mich zu sehen.
    »Wie geht’s dir, Kleiner?«, fragte er, schlang mir einenArm um den Hals und zog mich an sich. »Der Boss sagt, du hast dich grandios geschlagen.« Er drückte mich fester. »Ich bin wirklich stolz, Eddie.«
    »Ja, war nicht schlecht.« Inzwischen hörte sich mein neuer Name schon ganz natürlich an. »Ich hätte mich noch damit abfinden können, von Baylis einen Hirnschaden verpasst zu kriegen und mich von diesem walisischen Sadisten beinah zum Krüppel kloppen zu lassen. Aber entführt, gequält und wie ein Stück Müll im Wald abgelegt zu werden, mit nacktem Arsch und mitten in der Nacht, das war dann doch ein bisschen arg. Ich hab mich echt vergewaltigt gefühlt.«
    Tony sah bestürzt aus. »Oh, das haben sie aber nicht getan, oder?« Er wirkte, als hätte er Schmerzen.
    »Na ja, vergewaltigt nicht wirklich«, gab ich zu.
    »Ich hab geglaubt, dieser Initiationsmist wär schon seit Jahren vorbei. Schuhcreme und Rasierschaum überall?«
    Ich nickte. »Und Ketchup, Bier, Rasierwasser, Soße und wahrscheinlich Pisse.«
    Tony schüttelte den Kopf. Er ließ mich los und fuhr die Zufahrt herunter. »Wer war es?«
    »Konnte ich nicht richtig sehen«, antwortete ich. »Aber ich vermute mal, dass Ian Baylis dahintersteckt. Der kann mich immer noch nicht leiden. Und da war noch eine andere Stimme, die ich nicht erkannt hab   – vielleicht dieser Oliver?«
    »Hm. Möglich. Der Mann der tausend Stimmen, ein unfassbarer Imitator. Obwohl es jeder von denen hätte sein können. Vielleicht sogar Leute, die du nie zu Gesicht bekommen hast.«
    »Meinetwegen«, sagte ich. »Wenn das also nur so ein Initiationsstreichsein sollte, warum haben die mir eine derartige Scheißangst eingejagt? Ich dachte, die schlagen mir den Kopf ab oder so was.«
    Tony bog auf die Hauptstraße ab. »Bei wohlwollender Auslegung wollten sie nur testen, wie gut deine Tarnung unter Stress funktioniert. Besonders, wenn du einen in der Krone hast.«
    »Nett, dass sie sich solche Sorgen machen«, murmelte ich.
    »Na ja, du kannst dir nicht immer aussuchen, wann deine Geschichte auf den Prüfstand kommt«, sagte Tony. »Eher naheliegend, dass das überraschend passiert.«
    »Und warum sind sie andauernd auf meinem Bruder rumgeritten?«
    »Sind sie das?«
    »Ja, mit jeder zweiten Frage. Haben versucht, mich zu überrumpeln.«
    Tony seufzte. »Also, die weniger wohlwollende Auslegung   …«
    »Ja?«
    »Die lautet, dass Steve sich nicht gerade allgemeiner Beliebtheit erfreute. Kann sein, dass du das jetzt ausbaden darfst.«
    »Na großartig.« Instinktiv wollte ich Steve in Schutz nehmen. »Das erzählst du mir jetzt. Wieso?«
    »Alles, was ich dir bisher erzählt habe, stimmt«, versicherte mir Tony. »Er war ein Held. Aber darum geht es gerade   … Die Medaille und das alles, das macht die Leute neidisch. Besonders, wenn sie finden, dass sie genauso geschuftet haben oder unter ebenso gefährlichen Bedingungen. Und Steve hat alles nur nach seinen eigenen Regelngemacht. Allein. Da glaubt leicht mal einer, dass man ihm nicht genug zutraut oder er nicht richtig eingeweiht wird, und das gibt dann böses Blut.«
    »Aber er hat’s doch gebracht, oder?«
    »Klar«, sagte Tony ausweichend. »Zu seinen Bedingungen.«
    »Verstehe.«
    »Dachte nur, das solltest du besser wissen.« Tony sah mich von der Seite an.
    »Danke«, sagte ich. »Besser spät als nie.«
    »Und du bist also danach wieder gut

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