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Long Reach

Long Reach

Titel: Long Reach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Cocks
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da rauszuhalten?
    Ich wurde im Kofferraum hin- und hergeschleudert und kämpfte mit den Stricken um meine Handgelenke, während das Auto die Straßen entlang und um einige Kurven sauste. Schließlich hielt es an und die Wucht der Bremsung schleuderte mich gegen die Rückseite des Kofferraums. Ich schlug mir den Kopf an etwas Spitzem an. Spätestens jetzt war ich hellwach.
    Ich hörte gedämpfte Stimmen und der Kofferraum ging auf. Ich wurde wieder herausgezerrt. Meine Füße waren nackt, ich trug nur ein T-Shirt und Boxershorts. Die Nachtluft war frostig und ich konnte Wald riechen. Ich hörte, wie eine Holztür sich knarrend öffnete, und wurde in irgendein Gebäude geführt.
    Es roch nach Hütte: feuchtes Segeltuch, Sägespäne, Holzlasur.
    Ich wurde auf einen Stuhl gedrückt, wobei man mit einem leichten Schlag in die Eingeweide nachhalf. Ich dachte, ich würde gleich loskotzen. Das Klebeband wurde abgerissen und die Übelkeit ließ nach.
    »Wie heißt du?«, kam eine Stimme aus der Dunkelheit. Eine Stimme, die ich nicht kannte.
    »Eddie Savage.«
    »Wie heißt dein Bruder, Eddie?«
    »Ich   … ich habe keinen Bruder.«
    »Ganz sicher?«, fragte die Stimme. »Scheinst dir nicht so sicher zu sein.«
    »Ich bin mir sicher.«
    »Erzähl mir noch was von deinem Bruder.«
    »Ich habe keinen Bruder«, insistierte ich.
    »Und was ist mit Steve?«, sagte die Stimme hämisch.
    »Ich kenn keinen Steve«, sagte ich.
    »Wie ist dein zweiter Vorname?« Die Stimme kam näher, klang heiserer, und ich konnte den Alkohol riechen.
    »Arthur.«
    »Nach deinem Bruder?«
    »Nein, nach meinem Opa.« Verzweifelt versuchte ich, mich an die Einzelheiten meiner Legende zu erinnern.
    »Wie heißt also der Opa deines Bruders?«
    »Arthur.« Scheiße. Nein. »Ich hab keinen Bruder.«
    Die Stimme johlte und eine andere fiel ein. Auf einmal wurde mir der Stuhl unter dem Hintern weggetreten und ich spürte kaltes Metall an meinem Hals.
    Das war’s, dachte ich. Ich hab’s versaut und jetzt bin ich Hackfleisch.
    Schreckensstarr registrierte ich, wie am Gummiband meiner Shorts gezupft wurde. Mein Hirn setzte aus, als ich mir alle möglichen Foltermethoden vorstellte. Dann fühlte ich, wie Flüssigkeit in mein Gesicht platschte, das Gurgeln einer Spraydose, und dann kroch etwas Parfümiertes, Seifiges, Unverwechselbares in meine Nase.
    Sie überschütteten mich mit Bier und seiften mich mit Rasierschaum ein.
    Unter fiesen Sprüchen und biergetränktem Gelächter wurde ich ein paar Augenblicke später wieder ins Auto gestopft und eine kurze Strecke gefahren. Dann schleiften sie mich wieder aus dem Kofferraum, schmissen mich auf den Grünstreifen und verpissten sich mit quietschenden Reifen.
    »Ihr Arschlöcher!«, brüllte ich dem Auto hinterher.
    Wenige Sekunden später hatte ich meine Hände befreit und mir die Augenbinde weggerissen. Ich band meine dreckigen Füße los. Ich war halb nackt, meine Unterwäsche in Fetzen. Gebadet in Bier, Ketchup, Aftershave und Rasierschaum. Allein auf einer Landstraße, mitten in der Nacht. Das Opfer irgendeines dämlichen Initiationsrituals.
    »Perverse Säue!«, brüllte ich noch mal, damit es sich lohnte, obwohl sie längst fort waren.
    Ich machte mich auf den Weg. Zwanzig Minuten spätertauchten zwischen den Bäumen die Lichter des Gebäudes auf. Die Wache an der Pforte ließ mich mit einem Kopfnicken ein. Er hatte mich eindeutig erwartet. Die Wanduhr in seinem Häuschen stand beinahe auf halb vier.
    Ich fand mein Zimmer und steuerte direkt das Bad an. Als Zugabe zu meinem ohnehin ramponierten Gesicht hatte ich jetzt eine frische Schnittwunde an der Stirn. Außerdem stank ich nicht nur wie ein Iltis, sondern hatte auch noch einen völlig schwarzen Kopf. Schuhcreme. Ich sah aus, als hätte ich mich für irgendeine irre Nachtmission am Amazonas getarnt und mit Aftershave, Rasierschaum, Ketchup und Bier zugekleistert, um die Eingeborenen und die Fliegen anzulocken.
    Ich stieg unter die Dusche und drehte sie auf, so heiß wie möglich. Als das siedend heiße Wasser wie Nadelstiche auf meine Schultern prasselte, schrubbte ich mir Gesicht und Körper. Versuchte, die Schuhcreme und die hartnäckigen Gerüche loszuwerden. Versuchte, die Spuren meiner Schande fortzuwaschen.
    Das würde ewig an mir haften, dass ich mich so völlig hatte unterkriegen lassen. Entsetzlich. Meine Tarnung hatte dem Druck nicht standgehalten. Ich trat ins Schlafzimmer. Erschüttert, aber immerhin sauber.
    »Was brauchst du denn so lange?«

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