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Long Reach

Long Reach

Titel: Long Reach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Cocks
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alles, sobald sie ins Auto stieg. Sie startete die volle Charmeoffensive, als sie in den Benz kletterte: strahlend weißes Lächeln, Kleinmädchengetue und einen kurzen Blick in den Ausschnitt. Sie roch auch immer so gut. Donny sog ihr Parfum ein und war hilflos wie ein kleines Kätzchen.
    Sie entschuldigte sich fürs Zuspätkommen und dafür, dass ihr Auto nach ihrer letzten Delle wieder in der Werkstatt war. Donnie hatte keine Ahnung, wie der Boss das aushielt. Sie hatte erst ein paar Monate den Führerschein und schon einen neuen Mini zerlegt. Aber anscheinend war bei Sophie jeder bereit, ein Auge zuzudrücken. Schon immer.
    Bei Donna, seiner eigenen Tochter, war Donnie nicht so nachgiebig gewesen. Er hatte sich tierisch aufgeregt, als sie
mit sechzehn einen Braten in der Röhre hatte. Die Drogen und der schwarze Freund hatten in Donnies Augen die Lage um nichts gebessert. Sophie war da aus ganz anderem Holz geschnitzt. Für Donnie gehörte sie noch nicht mal der gleichen Tierart an wie seine eigene Tochter. Schon gar nicht hatte er Donnas Entwicklung mit seinen eigenen grobschlächtigen Erziehungsmethoden in Verbindung gebracht oder mit den Veilchen, die er seiner Ex verpasst hatte.
    Donnie warf einen prüfenden Blick in den Rückspiegel. Sophie saß entspannt auf dem Rücksitz und blätterte in einer
Vogue
. Ihr blondes Haar leuchtete in der Sonne, die durchs Fenster hereinfiel.
    Der Rest des Tages würde nicht ganz so hübsch werden, dachte er. Sobald er Sophie abgesetzt hatte, würde er nach Croydon weiterfahren. Er musste Ware aus einem ihrer Büros dort unten abholen. Dann kam die Tour durch South Norwood und Crystal Palace, um ein paar Beträge einzukassieren, die ihnen die kleineren Fische unter ihren Kunden schuldeten. Summen, die üblicherweise mit einem Schlag in die Fresse oder einem Tritt in die Eier rausgeleiert werden mussten.
    Um Punkt 8.55   Uhr fuhr Donnie beim Marlowe College vor. Sophie bat ihn, noch ein Stückchen weiterzufahren, weil sie, wie sie sagte, nicht in einem Auto ihres Vaters gesehen werden wolle. Das versetzte Donnie einen Stich; vielleicht war er es, mit dem sie nicht gesehen werden wollte. Der Schmerz war jedoch rasch vergessen, als Sophie sich vorbeugte und sich mit einem Kuss auf die Wange bei ihm bedankte, ehe sie ausstieg.
    Donnie spürte, wie er rot wurde, und entblößte mit einem
raren Lächeln einen Mund voll überkronter und abgebrochener Zähne. Das hatte wirklich Seltenheitswert. Was wahrscheinlich ganz gut so war.
     
    Am Ende meiner ersten Woche am Marlowe stieg ich an der Bushaltestelle gleich nach der Schule aus, um nicht in Gewohnheiten zu verfallen. Die Haltestelle war blockiert von einem riesigen, dunkelblauen Mercedes, und der Bus musste sich danebenstellen, um die Fahrgäste aussteigen zu lassen, wodurch das Auto eingesperrt wurde.
    Die Autohupe tönte. Der Busfahrer hupte zurück. Das elektrische Autofenster glitt hinunter und der Gorilla am Steuer sagte dem Busfahrer, er solle sich verpissen. Während sie einander anbrüllten, sprang ich aus dem Bus   – und wäre beinahe in Sophie Kelly hineingerannt, die gerade dem Mercedes entstiegen war. Sie entdeckte mich und wurde ganz verlegen, drehte sich um und ging dann zurück Richtung Schule. Ich ließ sie ein paar Schritte vorangehen und folgte ihr. Von hinten sah sie genauso gut aus wie von vorne.
    Mir blieben noch ein paar Hundert Meter, um mich zu entscheiden.
    Wenn sie nur ein Taschentuch oder ein Buch fallen ließe oder sonst einen Quatsch machte, dann hätte ich einen Vorwand. Tat sie aber nicht, verdammte Kacke. Und aus einer verrückten Laune heraus sprang ich einfach ins kalte Wasser. Ich beschleunigte meinen Schritt und holte sie ein.
    »Ganz schön krass, dein Taxifahrer«, sagte ich und zeigte mit dem Daumen in Richtung Haltestelle.
    Sie sah mich kaum an, lächelte aber und wurde zu meiner Freude ganz rot.
    »Ja«, sagte sie. »Total peinlich.«
    Ich preschte vorwärts. »Ich bin neu hier dieses Jahr. Ich glaube, wir haben Kunstgeschichte zusammen.«
    »Ja, glaub ich auch.« Das lief gut.
    Hier wäre das Gespräch eigentlich zu Ende gewesen, aber die Schultore rückten näher und jeden Moment konnte Sophie Kelly in ihrem Rudel übereifriger Wachhündinnen verschwinden. Das hier war eine der seltenen Verteidigungslücken.
    Also stieß ich hinein.
    »Ich hab mich gefragt, ob du vielleicht mal mit mir ausgehen würdest?« Ich konnte es selbst nicht glauben, als mir diese Worte aus dem Mund

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