Long Reach
Allradantrieb. Getönte Scheiben. Kennzeichen HYR0N3.
So eine Arschfresse. Dafür ist also Geld da, dachte Donnie.
Er stieß den Notausgang an der Seite des Gebäudes auf und trat ein in die Dunkelheit. Der Geruch war wie Muttermilch für Donnie: schales Bier, Schmuggelzigaretten, dreckstarrender
Teppich, die Hormonschübe von gestern Abend. Seine Augen gewöhnten sich an das Halbdunkel und er ging hinüber zum Büro hinter der D J-Kabine . Ein schwarzes Mädchen mit geglätteten Haaren und extrem langen, lackierten Fingernägeln hörte einen R& B-Sender und surfte auf ihrem Bildschirm halbherzig auf Facebook herum. Donnie hatte sie noch nie gesehen. Sie blickte auf, als er eintrat. Falls sie Angst vor ihm hatte, ließ sie sich das nicht anmerken.
»Mr Brown da?«, fragte Donnie so gewinnend wie möglich.
Sie sah ihn aus großen braunen Augen an. »Wann soll ich melden?«
»Ron Bussibär«, nuschelte Donnie einen seiner zahlreichen selbst erdachten Fantasienamen. Das Mädchen stand auf und öffnete die Tür hinter sich.
»Ron irgnwas«, verkündete sie. Aus dem Büro kam ein Grummeln. »Ist nicht da«, erklärte sie Donnie.
»Sag ihm, es ist der Partner von Mr Kelly«, sagte Donnie, schon halb auf dem Weg ins Büro. Er stieß das Mädchen beiseite und hebelte ihre Hand von der Tür.
Innerhalb eines Sekundenbruchteils hatte Hyrone begriffen, dass es sich um einen unwillkommenen Gast handeln musste. Er war ein riesiger Kerl und hatte keinerlei Probleme, jemanden einzuschüchtern oder mal die eine oder andere Stichwunde auszuteilen. Er hatte wegen einer Schießerei gesessen und wusste, wie die Dinge liefen. Aber er wusste auch, dass er gegen Donovan Mulvaney keine Chance hatte.
Donnie war eine Legende.
Hyrone Brown sprang hinter seinem Tisch hervor und versuchte gerade, durch das offene Fenster ganz hinten im Büro zu flüchten, als Donnie hereinkam. Donnie schnappte ihn
am Bund seiner glänzenden Hose, riss Hyrone wieder herein und schmiss ihn in den Schreibtischsessel. Der Clubbesitzer tat alles, um nicht verängstigt zu wirken.
»Ganz wild auf eine Spritztour mit der schönen neuen Karre?« Hyrone wand sich im Sessel.
»Den hab ich von ’nem Kumpel«, brabbelte er mit trockenem Mund. »War mir was schuldig.«
»In dem Fall wirst du wohl was flüssig haben, oder?«, fragte Donnie. »Denn du bist mir was schuldig.«
»Das Geschäft war mies«, bluffte Hyrone. Die brandneue 300 0-Pfund -Breitling, die er unter seinem Ärmel verschwinden lassen wollte, schien er jetzt schwer zu bereuen.
Donnie packte sein Handgelenk. »Nette Uhr.« Hyrone wand den Arm, doch Donnies Griff war wie ein Schraubstock. »Dann schlage ich doch vor, du machst den Safe auf und holst die fünf Riesen raus, die mein Boss von dir kriegt.«
»Ich hab sie nicht.«
»Herzeigen.« Donnie griff fester zu und zerrte Hyrone hinüber zum Schrank, der, wie er wusste, den Safe enthielt. Einen Moment lang ließ er los, damit Hyrone ihn öffnen konnte. Die schwere Stahltür schwang auf. Drinnen lagen eine große Tüte mit weißen Pillen, ein paar Stapel Papiere und mehrere Pässe, aber kein Geld.
»Siehst du?«
»Ach herrje.« Theatralisch kratzte sich Donnie am Kopf. »Pillen kann ich ja nicht gebrauchen, oder? Pillen haben wir ja selber. Ach ja, frisch mal mein Gedächtnis auf, wem gehört der Club noch gleich?«
»Ich hab einen Pachtvertrag auf zwanzig Jahre, das weißt du.« Beim Sprechen klackte Hyrones Zunge hörbar gegen seinen Gaumen, so trocken war sein Mund.
»Wem gehört er also?«
»Mir«, sagte Hyrone.
»Nun, ich denke, ab heute gehört er Mr Kelly«, sagte Donnie. »Und du arbeitest für uns, klar?«
»Du sp…«, wollte Hyrone gerade protestieren, aber da schob ihm Donnie vier fette Finger in den Mund und drückte ihm die Zunge runter. Er schob seinen Mittelfinger tief in den Rachen des Mannes und presste den weichen Unterkiefer so fest mit dem Daumen, dass Sprechen unmöglich war.
Hyrone würgte und versuchte, sich gegen Donnies Griff zu wehren.
»Wie gesagt …« Donnie erhöhte den Druck auf Hyrones Schädel. »Das hier ist nichts als ein Laden. Du kriegst von uns Ware, verkaufst sie und dann bezahlst du uns. Wenn du nicht zahlst, heißt das bei uns pflichtwidriges Verhalten. Dann übernehmen wir deinen Laden und schauen, dass er ordentlich läuft, und du darfst deinen Job behalten. So einfach. Ach, und dann müssen wir natürlich noch für die Ware bezahlt werden, die du bisher schon verkauft hast
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