Long Reach
wohl in meiner Nähe und ich konnte es jedes Mal kaum fassen, wenn sie sich bei mir meldete. Sogar an der Schule war der Einschnitt spürbar. Mit ihrer Mädchengang unterhielt sie sich zwar schon noch, aber ihr Vertrauen hatte ich, nicht eine von ihnen. Sie kehrte ihnen den Rücken zu, um sich zu mir zu setzen. Gleichzeitig begannen Benjy French und die anderen, auf Abstand zu gehen. Sie fingen an, mit den Mädchen zu sprechen.
Hinter unserem Rücken.
Ich war immer noch wachsam, weil ich mir Sophies Nähe durch Vorspiegelung falscher Tatsachen erschlichen hatte. Jeden Moment rechnete ich damit, von ihr als Betrüger enttarnt zu werden. Aber je länger es lief, desto weniger fühlte ich mich als Betrüger. Ich verhielt mich wie mein neues Ich – und es war mein neues Ich, das sie mochte.
Mir war mein neues Ich ebenfalls erheblich lieber. War ich jetzt nicht einfach eine verbesserte, selbstbewusstereVersion meiner selbst? Besser gekleidet, mit etwas Geld und einer tollen Wohnung. Ich begann es weniger als neue Identität zu betrachten, sondern eher als eine Art Generalüberholung, und als unsere Treffen regelmäßiger wurden, war ich jedes Mal ein bisschen weniger überrascht, dass ich es geschafft hatte, mir dieses unglaubliche Mädchen zu angeln.
Praktischerweise war mir ihr Hintergrund völlig entfallen.
Ich hatte auch vergessen, mir Notizen zu machen. Anfangs hatte ich mir schon welche gemacht, aber meine Eintragungen waren ziemlich öde:
Ausgegangen, Sophie am Steuer, beim Chinesen in Greenwich, rumgemacht, nach Hause.
Nach den ersten Eintragungen schämte ich mich, dass mein Einsatz im Vergleich zu Steves Aufgaben so sicher und ungefährlich war, also hörte ich mit dem Aufschreiben auf, bis, so stellte ich mir das vor, sich etwas Interessantes ergab.
Einige Wochen nach unserem ersten Date kamen wir gerade aus der Schule, als Sophie sagte: »Diesen Samstag kann ich nicht. Dad nimmt uns mit zum Segeln nach Frankreich.«
»Ah.« Die Enttäuschung in meiner Stimme kam ziemlich deutlich raus. »Ich wusste gar nicht, dass du segeln kannst.«
»Kann ich auch nicht«, gab sie zu. »Mit Segeln meine ich, dass wir auf die Jacht gehen. Ein Riesending mit Motor. Da wird man nicht wirklich nass.«
»Cool«, sagte ich. »Wie groß?«
»Keine Ahnung. Zwanzig Meter vielleicht?« Sie sah verlegen aus. »So groß wie ein Bus.«
»Das ist groß. Wo fahrt ihr hin?«
»Der Ort heißt Honfleur«, erklärte sie. »Ist wirklich schön dort. Wir gehen dort Abendessen.«
Ich nickte beeindruckt.
»Vielleicht kannst du ja nächstes Mal mitkommen.« Sie sah ein wenig schuldbewusst drein. »Bei dem Ausflug sind ein Haufen Geschäftsfreunde von Dad dabei. Meine Mutter und ich müssen hübsch lächeln und ihnen Drinks einschenken und uns ihre stinklangweiligen Golfplatzgeschichten anhören.«
Sie versuchte, es als lästige Pflicht zu verpacken, aber zum Abendessen nach Frankreich zu segeln kam mir ziemlich schick vor.
»Mein Bruder kommt auch mit«, sagte sie. »Ich weiß nicht, ob du ihn mögen würdest, er ist eher ein Angeber.«
»Wusste gar nicht, dass du einen Bruder hast«, sagte ich. Obwohl ich es natürlich wusste. Jason Kelly war in den Dossiers zum Familienhintergrund aufgeführt.
»Da gibt’s Einiges, was du nicht weißt über mich«, lächelte Sophie. Sie küsste mich auf die Wange und tippte mir mit dem Finger auf die Nase.
»Von wo segelt ihr los?«, fragte ich. »Dover?«
»Portsmouth – na ja, Gosport heißt der Hafen, wo das Schiff liegt. Wir fahren Freitag runter und segeln dann Samstag früh los.«
»Wie heißt das Boot denn?«
»Rat mal.«
»Sophie?«
, riet ich.
»Fast.
Lady Sofia
. Vorher hieß es
Seewolf
. Mein Vater hat es einfach unbenannt.«
»Bringt es nicht Unglück, ein Boot umzubenennen?«
»Hoffentlich nicht.« Sie lachte. »Sonst ertrinke ich noch.«
»Zieh eine Schwimmweste an«, riet ich. »Und dann sehen wir uns, wenn du wiederkommst?«
»Ich könnte vielleicht zu dir in die Wohnung kommen?«, fragte sie. »Ich bring dir auch ein Geschenk mit.« Sie schlang ihren Arm um meine Hüfte und sah mich unter gesenkten Wimpern erwartungsvoll an.
»Ich freu mich schon darauf«, sagte ich.
»Sie will mich in der Wohnung besuchen.« Ich telefonierte mit Ian Baylis und informierte ihn über meine Fortschritte.
»Kann sie nicht. Das ist ein sicheres Haus«, schnauzte er mich an.
»Das weiß ich. Aber es ist nicht ganz abwegig, dass sie’s gern möchte, oder?«
»Ich denk
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