Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Long Reach

Long Reach

Titel: Long Reach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Cocks
Vom Netzwerk:
bliebe keine andere Wahl; dass ich grottenschlechte Noten gehabt hatte und dass die Schule mich »eingeladen« hatte, doch abzugehen. Sie sagte, mit einem Verlierer wolle sie sich nicht abgeben. Ich war aufrichtig beleidigt. Dass Sophie mich für einen Verlierer hielt, passte mir überhaupt nicht. Aber ich konnte ihr schlecht erzählen, dass ich schon einen richtigen Job hatte: sie auszuspionieren, und ihre Familie noch dazu.
    Also erzählte ich ihr vom Stand, den ich ab nächsten Freitag am Markt in Bermondsey einrichten wollte. Sagte, ich würde ihr schon noch beweisen, dass ich nicht irgendeine Pfeife war und dass ich vom Verscheuern von Antiquitäten sehr wohl leben konnte.
    »Ich bewundere deinen Unternehmergeist«, sagte sie kühl. »Viel Glück.«
    Ich beschloss, sie ein paar Tage in Ruhe zu lassen, bis sie sich an den Gedanken gewöhnt hatte. Sie würde sich schon wieder einkriegen, da war ich mir sicher.
     
    Am Freitag holte mich Danny um drei Uhr in der Früh mit seinem Laster ab und chauffierte uns nach Bermondsey. Wir fuhren die Lynton Road entlang, von der mir Danny erzählte, dass sie eine Seite des Bermondsey-Dreiecks bilde   – angeblich die Gegend mit der höchsten Gaunerdichte von ganz London.
    Um halb vier brodelte der Markt bereits. Es war noch finster und die Händler entluden ihre Transporter und Volvos im Schein der Handstrahler. Andere Händler drehten ihre Runden und wühlten mit ihren Taschenlampen auf Ladeflächen und in Bananenkisten herum, auf der Suche nach Schätzen, die andere vielleicht übersehen hatten. Wie Danny mir erklärte, hatte bis vor Kurzem auf dem Markt von Bermondsey noch die alte Handelsregel gegolten, dass bei Geschäften, die vor Sonnenaufgang über die Bühne gingen, die Herkunft der Ware nicht hinterfragt werden durfte. Das hieß, dass der Markt jahrhundertelang eine Anlaufstelle für Hehlerware gewesen war. Obwohl sich die Gesetzeslage vor ungefähr zehn Jahren geändert hatte, war die alte Gewohnheit, mitten in der Nacht Geschäfte zu machen, offensichtlich nicht totzukriegen. Ich persönlich hätte mich auch bis Sonnenaufgang gedulden können.
    Wir zahlten die Standgebühr und luden unseren Transporter aus. Während ich auspackte, linsten die anderen Händler schon auf unser Angebot. Unser Stand sah aus, als hätte ich noch nie etwas anderes gemacht. Danny erklärte mir, was einige Gegenstände waren und was ich dafür verlangen sollte: ein türkischer Kelimteppich, ein klassizistischer Kerzenständer aus Silber, eine viktorianische Geldschatulle, ein Schiffskompass, ein Zylinderhut und eineafrikanische Maske. Ich platzierte Barneys Collage ganz vorne am Stand, in einem Stapel mit ein paar billigen Schiffsmotiven und einer verrosteten Blechwerbetafel für Woodbine-Zigaretten.
    Danny kaufte mir Tee und ein Schinkenbrötchen und zog dann los auf Schnäppchenjagd, während er mir den Stand überließ. Gegen sieben ging die Sonne auf und der Markt füllte sich langsam. Einige der Besucher waren offensichtlich Amerikaner. Sie trugen Daunenjacken und Baseballkappen und unterhielten sich lautstark. Aber es waren auch Italiener und Japaner darunter. Sie strömten nur so aus den Taxis, die sie von ihren Hotels im West End hergebracht hatten.
    Einer Japanerin verkaufte ich zwei Metallspielzeuge für fünfzig Pfund. Eigentlich hatten wir jedes mit dreißig Pfund ausgepreist, aber ich machte ihr einen Setpreis. Dann verkaufte ich einen Wanderstock mit geschnitztem Hundekopf an einen alten Amerikaner und bekam das Gefühl, als hätte ich langsam den Bogen raus. Bei Dannys Rückkehr hatte ich beinahe zweihundert eingenommen. Ich hatte sogar eine dubios aussehende Gold-Rolex abgelehnt, die mir ein zwielichtiger Typ im billigen Anzug hatte andrehen wollen.
    »Guter Start«, sagte Danny. »Heute ist ein guter Tag fürs Geschäft. Sonnig und frisch. Hat sich schon wer für den Schwitters interessiert?«
    Ich schüttelte den Kopf. Ein paar Leute hatten ihn sich verständnislos angeschaut und waren dann weitergezogen. Da, wie aufs Stichwort, kniete sich ein Mann in einem schicken Tweedsakko hin und musterte Barney Lipmans Werk. Er hob es hoch und inspizierte die Rückseite, die Bleistiftnotiz und das alte Klebeband, das alles zusammenhielt. Dannnahm er eine Lupe aus der Tasche und betrachtete die Vorderseite ganz genau, las die Zeitungsfetzen, aus denen die Collage gemacht war. Dann blickte er auf und wedelte fragend mit dem Bild vor uns herum.
    »Ich will drei dafür«, erklärte

Weitere Kostenlose Bücher