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Long Reach

Long Reach

Titel: Long Reach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Cocks
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ins Gespräch ein. »Alle guten Amateure haben schon ihre Gegner. Und wir wollen ihn nicht gegen irgendeinen alten Esel antreten lassen. Oder jemanden, der zu gut ist.«
    »Besten Dank, Dad«, sagte Jason.
    »Nein, so mein ich das nicht, Kleiner.« Wieder schlang Tommy den Arm um seinen Sohn. »Es wäre dumm, dich gegen einen Profi aufzustellen. Gefährlich. Wir brauchen einfach einen guten Boxer in deinem Alter und deiner Gewichtsklasse, damit der Kampf auch was fürs Auge bietet.«
    Jasons Blick fiel auf mich. »Wie alt bist du?«
    »Achtzehn.« Sophie setzte an, um zu widersprechen. »Nächste Woche.«
    »Kämpfer?«
    »Jason, ich denke nicht   …«, begann Tommy.
    »Schon okay«, sagte ich und spürte, wie sich mir die Nackenhaare aufstellten. Er ging mir einfach nur auf den Sack.
    »Warum trete ich dann nicht gegen ihn an?«, fragte Jason. Er baute sich vor mir auf. Kräftiger als ich war er, aber an Körpergröße hatte ich ihm ein paar Zentimeter voraus.
    Die Stimmen um uns herum verschwammen im Hintergrund: Sophie erklärte ihrem Bruder, er solle mich da raushalten. Tommy sagte, es sei keine gute Idee. Ein oder zwei andere meinten vorsichtig, der Gedanke sei vielleicht gar nicht so schlecht   – dass ich so aussehe, als könnte ich es bringen. Es war eine dieser Entscheidungen, die man nur selbst fällen kann.
    Mann oder Memme?
    Entweder ich hob den Fehdehandschuh auf oder ich floh wie ein Hase   – aber vor diesen Leuten hier musste ich mich beweisen.
    »Ich kämpf mit dir«, sagte ich.

Vierundvierzig
    Am nächsten Morgen begann ich mit dem Training.
    Den Abend davor hatte ich ziemlichen Zoff mit Sophie gehabt. Sie war total dagegen, dass ich gegen ihren Bruder kämpfte. Sagte, das würde sie in einen Solidaritätskonflikt bringen, in eine unmögliche Position. Ich hielt ihr entgegen, dass Jason
mich
in eine unmögliche Position gebracht hatte. Hätte ich gekniffen, wäre ich vor allen als komplettes Weichei dagestanden. Ich brauchte ihren Respekt.
    Tommy schien sich am Abend bereits an den Gedanken gewöhnt zu haben, meinte, es sei eine gute Gelegenheit, uns zusammenzuschweißen. Im Ring würden die Leute einander respektieren lernen, sagte er. Und solange keiner von uns dem anderen die Birne zu Brei schlug, würde es wohl auch ein guter Schaukampf werden. Er ging sogar so weit, mich für ein paar Trainingseinheiten in einem Boxclub in Canning Town anzumelden. Jason hatte schon eine ganze Weile oben in Elephant and Castle trainiert und Tommy wollte vermeiden, dass einer von uns zu sehr im Vorteil war.
    Am Montag stand ich um sechs Uhr auf und begann zujoggen, runter zum Ufer und dann Richtung Greenwich. Es war kalt und vom Fluss her stieg Nebel herauf. Ich lief über das nasse Kopfsteinpflaster auf der alten Themseseite, am ausgebrannten Wrack der
Cutty Sark
vorbei, dann hoch Richtung Park. Als ich oben bei der Statue angekommen war, wummerte mein Herz, und mein Hals und meine Lunge brannten in der feuchten Luft. So fit, wie ich geglaubt hatte, war ich nicht. Ich stützte meine Hände auf die Knie, keuchte und blickte über den Fluss zum Millennium Dome und noch darüber hinaus. Ich musste daran denken, wie viel passiert war, seitdem ich genau hier meine erste Verabredung mit Sophie gehabt hatte.
    Ein weiter Weg.
    Um zehn kaufte ich mir einen Fahrschein und stieg bei Deptford in die Hochbahn. Der Zug tauchte unter dem Fluss durch, bei den Wolkenkratzern wieder auf, die ich noch vor ein paar Stunden von der anderen Seite aus gesehen hatte, und fuhr weiter in Richtung der üblen Viertel bei den alten Docks. Die Anzugträger fuhren nur bis Heron Quays oder Canary Wharf, und als ich bei Canning Town ausstieg, bestand meine Gesellschaft nur noch aus Inderinnen mit Kindern und rattengesichtigen Typen mit Kampfhunden.
    Der Sportclub war in einer Nebenstraße. Davor stand eine kleine Bronzestatue von einem Boxer: ein achtzehnjähriger Junge, der, so die Plakette darunter, im Ring an einer Hirnblutung gestorben war. Darüber wollte ich lieber nicht nachdenken. Die Statue war ohnehin total beschissen.
    »Mr Kelly hat für mich reserviert«, sagte ich dem Mädchen am Empfang. »Ich trainiere mit Gary Cribb.«
    Der Name Kelly sicherte mir Aufmerksamkeit. Innerhalb von Sekunden stand ein energiegeladener Typ mit kurzen grauen Haaren und einem Lonsdale-Sweatshirt draußen, um mich zu begrüßen.
    »Eddie?«, fragte er. »Gary.« Er schüttelte mir die Hand und drückte mir die Schulter. Er war schlank, seine

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