Long Tunnel. Ein Roman des Homanx- Zyklus.
reagieren pflegte, wenn er das Gefühl hatte, daß ihm etwas zu naheging, ihn einengte - indem er es wegstieß und versuchte, die Distanz zu wahren. Es war beängstigend zu entdecken, daß er auch nicht halb so kühl bleiben konnte, wie er es sich wünschte. Die Realität des Gefühls Liebe war noch weit schwieriger zu erfassen als die Theorie.
»Was stimmt nicht, Flinx? Sag es mir!«
»Du kennst mich gar nicht richtig. Du kennst nur das, was ich gezeigt habe.«
»Dann laß mich alles sehen, damit ich verstehen kann!« flehte sie ihn an. »Gib mir die Chance! Ich könnte dich gut genug kennenlernen, damit wir gemeinsam glücklich werden können.«
»Wir würden niemals miteinander glücklich sein«, sagte er mit Nachdruck. »Ich kann mit niemandem glücklich sein.«
Verletztheit gesellte sich nun zu dem Ausdruck der Verwirrung in ihrer Stimme. »Du sprichst in Rätseln.«
Es blieb ihm nichts anderes übrig, als seinen Kurs weiterzuverfolgen. Das kleine Schiff, das mit ihm über die Stromschnellen seines Lebens abwärts raste, ihn dabei hin und her warf, schien niemals ans Ufer zu gelangen.
»Du bist doch eine Geningenieurin, und eine gute dazu. Sicherlich hast du schon mal was von der Meliorare-Gesellschaft gehört.«
»Die …« Sie zögerte. Ganz eindeutig war dies nicht das, was sie von ihm erwartet hatte. Aber sie fing sich schnell. »Gesetzlose der schlimmsten Sorte. Verbrecherische Eugeniker. Sie nahmen an ungeborenen menschlichen Wesen ohne Vorwarnung und Erlaubnis genetische Veränderungen vor.«
»Stimmt.« Plötzlich war Flinx sehr müde. »Ihre Absichten waren durchaus ehrenwert, aber ihre Methoden waren gotteslästerlich. Sie verletzten jedes Gesetz zur Genveränderung und kosmetischen DNS-Chirurgie, das existiert. Soweit ich weiß, wurden einige neue Gesetze beschlossen, um speziell ihre Vergehen rechtlich zu erfassen.«
»Was ist denn mit ihnen? Ich kann mich erinnern, daß der letzte von ihnen gefangen wurde, in ein Krankenhaus kam und hirngeleert wurde, und das schon vor längerer Zeit.«
»So lange ist es gar nicht her. jedenfalls nicht so lange, wie in den offiziellen Archiven nachzulesen ist. Die letzten dieser Vereinigungen waren bis vor wenigen Jahren noch aktiv.« Er betrachtete sie mit einem seltsamen Ausdruck in den Augen. »Ich denke doch, daß du als gesetzestreue Geningenieurin noch viel heftiger als der normale Bürger verurteilst, was sie getan haben.«
»Natürlich tue ich das. Die Einzelheiten ihrer Arbeit wurden niemals veröffentlicht. Die Regierung hält alles so gut wie möglich unter Verschluß, aber da ich in diesem Bereich tätig bin, hatte ich während meines Studiums Zugang zu einigen Informationen, die durch undichte Stellen der Geheimhaltung sickerten. Ich weiß, was die Melioraren taten oder zu tun versuchten. Sie wiederholten die Verbrechen der Biologen des zwanzigsten Jahrhunderts, nur in einem viel größeren Ausmaß und Rahmen.
Nun gehören sie jedoch der Geschichte an. Die Melioraren waren Verbrecher mit wissenschaftlicher Ausbildung. Nichts von ihrem Wirken wird jemals Eingang finden in die gesetzlich zugelassenen Publikationen der Gentechnologie. Die Regierung hat verfügt, daß alles versiegelt und unzugänglich gemacht wird.«
»Stimmt. Das einzige Problem, das sie nicht lösen konnten, war folgendes: Während man alle Forschungsergebnisse der Melioraren unter Verschluß nehmen konnte, hatte man jedoch keinen Zugriff auf die Resultate ihrer Experimente. Oh, die meisten Opfer fand man. Man heilte jene, bei denen dies möglich war, und erlöste jene von ihrem Leiden, die derart mißgebildet waren, daß sie nicht die geringste Hoffnung auf ein normales Leben hatten. Aber sie fanden nicht jeden. Wenigstens eins der Forschungsobjekte der Melioraren erreichte das Erwachsenenalter, ohne sich selbst zu verraten oder ernsthaft krank zu werden. Es gab vielleicht noch mehr. Das weiß jedoch nicht einmal die Kirche.«
»Davon hatte ich keine Ahnung. Der abschließende Bericht, der mittlerweile in die Geschichte der Gentechnologie eingegangen ist, besagt, daß das letzte Mitglied der Gemeinschaft vor Jahren aufgestöbert und bestraft wurde und daß ihre gesamte Arbeit aus dem Verkehr gezogen wurde.«
»Nicht alles«, korrigierte Flinx sie. »Sie haben nicht jeden gefunden.« Seine Blicke schienen sich an ihr festzusaugen. »Sie haben mich nicht erwischt.«
Pip hatte sich endlich auf einem Geländer in der Nähe niedergelassen. Scrap hatte sich von Clarity
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