Lord Camerons Versuchung
Ich tue es noch heute.«
»Das bezweifle ich nicht.« Camerons Stimme hatte alle Aufgeregtheit verloren, seine Hand fuhr fort, ihr Haar zu streicheln.
Ainsley wollte näher zu ihm gehen, wollte mehr von seiner Wärme spüren, die den kühlen Wind abwehrte, der über die Wiesen heranwehte. In ihrem eher einsamen Dasein während der vergangenen Jahre war ihr niemals so warm gewesen wie heute Nacht.
»Sie sollten lieber nach Ihrem Pferd sehen«, sagte sie.
»Sie gehört mir nicht. Sie ist nur ausgeliehen.«
»Ein Grund mehr.«
»Angelo ist der beste Reiter und Spurenleser der Welt, und ich bin noch nicht mit Ihnen fertig.«
Warum ließen diese Worte sie vor Freude zittern? »Nein?«
Der Stalljunge führte ein gesatteltes Pferd heran. Cameron legte die Hand um Ainsleys Nacken und zog sie zu einem leidenschaftlichen Kuss an sich.
Es war ein Kuss voll von Versprechen, einer, der ihr sagte, dass er nicht vergessen hatte, was er in seinem Arbeitszimmer begonnen hatte. Und dass er die Absicht hatte, es zu Ende zu führen.
Cameron ließ sie los und wandte sich um, als der Stalljunge bei ihnen angekommen war. Kraftvoll schwang er sich in den Sattel.
Ainsley verschränkte die Arme gegen die plötzliche Kälte, als Cameron in die Nacht hinausritt.
Es dauerte den ganzen Rest der Nacht, bis Jasmine eingefangen war. Als Cameron das schaumbedeckte und von Dornen zerkratzte Pferd – das, wenn er sich nicht völlig irrte, sehr mit sich zufrieden aussah – in den Stall führte, war die Sonne bereits aufgegangen und zwei seiner Trainer waren schon draußen, um mit den Pferden an der Longe zu arbeiten. Cameron selbst rieb Jasmine ab, und Angelo tränkte sie, als Cameron den Stall verließ, um ins Haus zu gehen.
Er badete, zog sich an und ging hinüber in Macs Flügel des Hauses, wo in einem sonnigen Zimmer das Frühstück für den engeren Kreis der Familie serviert wurde. Es war erst acht Uhr, aber wenn die Familie eine Gesellschaft gab, standen Isabella und Beth früh auf, um alles für die Unterhaltung der Gäste für den ganzen Tag vorzubereiten.
Dieses Zusammenkommen zum Frühstück umfasste alle Familienmitglieder, die wach und hungrig waren – Brüder, Schwägerinnen, Daniel, Kammerdiener, Hunde. Als Cameron eintrat, besprachen Isabella und Beth schon den Terminplan für den Tag. Mac saß nahe bei Isabella, las in einer Zeitung und legte die Hand auf die seiner Frau, wann immer er konnte. Ian aß langsam und bedächtig und lauschte auf Beths Stimme und nichts sonst. Ians Kammerdiener Curry verspeiste sein Frühstück mit Genuss; der frühere Taschendieb erfreute sich noch immer an dem Wissen, dass er jetzt das bessere Leben lebte. Angelo war nicht anwesend, er hatte beschlossen, bei Jasmine im Stall zu bleiben. Außer ihm fehlten Daniel, Hart und Macs Kammerdiener Bellamy, ein ehemaliger Boxer.
Curry sprang auf, um Cameron zu bedienen, aber Cameron winkte den kleinen Mann zurück auf seinen Stuhl und bediente sich selbst an Eiern und Würstchen, Bannocks und Kaffee. Er trug Teller und Tasse zu seinem gewohnten Platz gegenüber von Isabella und nahm sich einen Teil der Rennzeitung von Mac.
Ohne einen Blick in die Zeitung zu werfen, sagte er zu Isabella: »Erzähl mir alles, was du über Mrs Douglas weißt.«
Isabella zog überrascht die Augenbrauen hoch, dann lächelte sie. »Und warum bist du so sehr an Ainsley Douglas interessiert?«
»Weil sie damit beschäftigt ist, meinen Sohn, meinen Kammerdiener und meine Pferde zu bezirzen. Ich will wissen, mit wem ich es zu tun habe.«
Cameron entging weder Beths plötzliches Lächeln noch Macs wissendes Grinsen.
»Ich habe mich schon gefragt, wann du es dir eingestehen würdest«, sagte Mac. »Ich habe durchaus bemerkt, wie du sie angesehen hast, als du ihr letztes Jahr in Isabellas Salon begegnet bist.«
»War sie letztes Jahr in Isabellas Salon?«, fragte Cameron.
Cameron wusste verdammt gut, dass Ainsley dort gewesen war, auch wenn er sie nur für einen kurzen Moment gesehen hatte. Er war in Isabellas Haus in London gekommen, um Isabella und Mac durch eine Krise zu helfen, und dort Ainsley begegnet. Sie hatte so unglaublich hinreißend ausgesehen. Sie war rot geworden, als sie rasch an ihm vorbei und zur Tür hinausgegangen war, die Röcke an sich gedrückt, als fürchtete sie, ihn zu berühren.
Mac kicherte nur. »Cam, alter Freund, du wirst genauso eingefangen werden wie wir anderen.«
Ein Topf Honig für die Bannocks wurde in die Nähe von Camerons Teller
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