Lord Camerons Versuchung
aber Pierson war kein Spieler. Er wettete nicht einmal auf Pferde.
Cameron würde es sicher schaffen, Jasmine in Doncaster an den Start zu bringen, aber gewinnen würde sie nicht. Wenn er sie zu sehr antrieb, riskierte er ihre Gesundheit. Jasmine würde vielleicht gewinnen, aber an der Ziellinie tot zusammenbrechen oder, falls Pierson sich durchsetzte, in dem Moment, in dem der Käufer mit ihr davonging. Das war die Art, wie Pierson Geschäfte betrieb.
Verdammter englischer Philister.
Cams Gedanken wurden abrupt unterbrochen, als er die in Grau gekleidete Frau sah, die aus einem Juwelierladen kam. Ihr helles Haar leuchtete wie der Sonnenschein. Ainsley schob einen kleinen Beutel in ihre Tasche und schaute sich verstohlen um, bevor sie ihren Schirm aufspannte und die dunstverhangene Straße hinuntereilte.
10
Ainsley spürte Camerons Nähe, noch bevor er die Hand um den Griff ihres Regenschirms geschlossen hatte.
Doch tippte er sich an den Hut, grüßte sie höflich und bot ihr an, sie ein Stück Weges zu begleiten? Nein! Stattdessen starrte er sie wütend an und ließ auch den verflixten Regenschirm nicht wieder los.
»Ich habe Ihnen doch gesagt, dass Sie das Geld für die Briefe von mir bekommen«, sagte er. Sein Gesicht wirkte wie versteinert.
Ainsley nickte ihm kühl zu. »Guten Tag, Lord Cameron. Ich weiß, dass Sie das gesagt haben.«
»Warum waren Sie dann in dem verdammten Juwelierladen? Genügend Geld, um dort etwas zu kaufen, haben Sie nicht. Also haben Sie versucht, Schmuck zu verkaufen, um Phyllida abzufinden, habe ich recht?«
Und sah er nicht richtig wütend darüber aus?
Selbstherrlicher, arroganter Schotte.
»Ich habe nicht versucht, Schmuck zu verkaufen. Ich habe ihn schätzen lassen. Als Pfand.«
»Als Pfand? Wofür?«
Ainsley versuchte, ihren Regenschirm zurückzubekommen, und war überrascht, als Cameron ihn tatsächlich losließ. »Für das Darlehen, das Sie mir angeboten haben. Ich gebe Ihnen ein Pfand, und wenn meine Freundin mir das Geld schickt, geben Sie mir den Schmuck zurück.«
Cameron kniff die Augen zu topasfarbenen Schlitzen zusammen. »Ich habe nie gesagt, dass es ein Darlehen ist. Ich werde Phyllida abfinden, und damit ist die Sache erledigt. Und sollten Sie auf einem Pfand beharren, dann wird das darin bestehen, dass Sie sich mit mir unterhalten und es dabei einmal nicht um diese verdammten Briefe geht. Ich bin dieses Thema gründlich leid.«
»Ich kann kein Geldgeschenk von Ihnen annehmen und trotzdem eine Lady bleiben«, erklärte Ainsley. »Es sei denn, es ist ein Darlehen, eine geschäftliche Transaktion, und dann auch nur, weil ich eine Freundin der Familie bin. Isabellas Freundin.«
»Sie machen es zu kompliziert. Niemand braucht zu erfahren, dass ich Ihnen das Geld gegeben habe.«
»Mrs Chase wird es wissen oder zumindest vermuten. Und Sie können sicher sein, dass sie es jedem erzählen wird.«
Ainsley wandte sich von ihm ab und setzte ihren Weg fort.
Cameron musste sich beeilen, ihr zu folgen. Zur Hölle, aber hätte ihm jemand prophezeit, dass er eines Tages durch Edinburgh laufen und eine Lady jagen würde, die entschlossen war, ihn mit ihrem Regenschirm abzuwehren, er hätte lauthals gelacht. Cameron MacKenzie jagte keiner Frau nach, ob sie nun einen Regenschirm hatte oder nicht.
»Der Juwelier hat gesagt, die Ohrringe und die Brosche meiner Mutter reichten, um fünfhundert Guinees abzudecken«, sagte Ainsley. »Was ein Glück ist.«
Cameron beschloss, ihr nicht zu sagen, dass Phyllida jetzt fünfzehnhundert forderte. Er wollte Ainsley nicht dazu bringen, auch noch das Familiensilber schätzen zu lassen.
»Der Schmuck gehörte Ihrer Mutter?«
»Ja. Es ist das Einzige, was ich von ihr habe. Ich habe immer bedauert, dass ich sie nie gekannt habe.«
Die Traurigkeit in ihrer Stimme machte ihm zu schaffen. Camerons Mutter war ein furchtsames Geschöpf gewesen, dem befohlen worden war, sich von ihren Söhnen fernzuhalten. Sie war kurz nach Camerons achtzehntem Geburtstag gestorben. Er war zu jener Zeit an der Universität gewesen, und man hatte ihm gesagt, sie sei durch einen Sturz zu Tode gekommen.
Erst viel später hatte Cameron von seinem Bruder Hart die Wahrheit erfahren. Dass ihr Vater ihre Mutter getötet hatte, dass er sie während eines Streits so brutal geschüttelt hatte, dass er ihr das Genick gebrochen hatte. Hart war erst im Laufe der Zeit zu dieser Schlussfolgerung gelangt – der einzige Zeuge der Auseinandersetzung war der zehnjährige Ian
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