Lord Camerons Versuchung
Cameron vielleicht an Ort und Stelle eine Antwort auf seine Frage von ihr verlangt, doch Ainsleys Gedanken wirbelten noch zu sehr durcheinander. Er wollte, dass sie mit ihm auf den Kontinent ging, so wie Phyllida es mit ihrem Tenor getan hatte, und Ainsley hatte nicht die leiseste Ahnung, was sie ihm antworten sollte.
Wenn sie mit Cameron ginge, wie um alles in der Welt sollte sie Patrick und Rona diesen Schritt begreiflich machen? Sie hatte versucht, Cameron zu erklären, dass sie nicht so sehr den Skandal fürchtete, als vielmehr, wem sie damit wehtun würde.
Wäre ich allein auf der Welt, dann könnte mir der Skandal gestohlen bleiben, und ich würde tun, was mir gefällt.
Aber Cameron war eine große Versuchung für Ainsley. Es war nicht nur einfach die Lust auf ihn, die sie mit Sehnsucht erfüllte – da war sein Lächeln, die Wärme in seinen Augen, die Art, wie er sich um Jasmine sorgte, die Art, wie er der alten Mrs Yardley beim Krocketspiel behilflich gewesen war. Ainsley wollte alles von Cameron, sie wollte den ganzen Mann.
»Ich überlege mir, nach Paris zu gehen, Ma’am«, sagte Ainsley.
Die Königin blinzelte. »Nächsten Sommer, mit Ihrer Familie? Natürlich müssen Sie dorthin reisen. Paris ist wundervoll im Sommer.«
»Nein, ich meine, in ein paar Wochen.«
»Unsinn, meine Liebe, das können Sie unmöglich tun. Wir haben Ende des Monats den Jagdführerball, und auch danach ist so viel zu tun, und dann kommt auch schon Weihnachten.«
Ainsley biss sich auf die Zunge. »Ja, Ma’am.«
Für die Königin war nichts interessanter oder wichtiger als die königlichen Veranstaltungen, und Ainsley wusste, dass Victoria wollte, dass sie ihr nie von der Seite wich. Jetzt lächelte die Königin Ainsley an.
»Spielen Sie für mich, Liebes«, sagte sie. »Das beruhigt mich.«
Die Königin hatte die Hände um die Schatulle gelegt. Auf ihrem etwas zu breiten Gesicht lag ein heiter-zufriedener Ausdruck. Schließlich hatte sie den Beweis für ihre heimliche Liebe zurückbekommen. Ainsley unterdrückte ein Seufzen, ging zum Klavier und begann zu spielen.
Zwei Tage später betrat Ainsley den großen Salon und traf dort auf Lord Cameron MacKenzie, der vor dem Kamin stand und sich die Hände wärmte, den Rücken ihr zugewandt.
Ehe sie sich zwischen Davonlaufen oder Bleiben entscheiden konnte, wandte sich Cameron um. Sein eindringlicher Blick umfing sie, und er verbarg nicht, dass er wütend war. Sehr wütend.
»Ich hatte dir eine Nachricht dagelassen«, sagte Ainsley matt.
»Zum Teufel mit deiner Nachricht. Schließ die Tür.«
Ainsley ging durch den Salon zu ihm, ohne seinem Befehl zu folgen. »Was tust du hier?«
Warum sah er so wunderbar aus in seinem abgetragenen Reitkilt und den schmutzigen Stiefeln?
»Ich bin gekommen, um meine Geliebte zu besuchen.«
Ainsley blieb stehen. »Oh.«
»Damit meine ich dich, Ainsley.«
»Ich bin nicht deine Geliebte.«
»Dann eben meine Liebhaberin.« Cameron setzte sich auf ein Sofa, ohne sie aufzufordern, als Erste Platz zu nehmen, zog eine Flasche aus seiner Jackentasche und nahm einen langen Schluck daraus.
Ainsley setzte sich auf einen Stuhl in der Nähe. »So, wie du es sagst, klingt es, als wären wir zwei Personen in einer Farce. Ich wette, du hast Ihrer Majestät nicht gesagt, dass du hier bist, um deine Geliebte zu besuchen.«
Cameron zuckte nur mit den Schultern und nahm noch einen Schluck. »Sie hat mich um einen Rat wegen eines ihrer Pferde gebeten, und da habe ich beschlossen, ihn ihr persönlich zu übermitteln.«
»Sehr clever.«
»Der Königin gefällt es, über Pferde zu reden.«
Ainsley nickte. »Das ist richtig. Ich habe dir gesagt, dass ich dir meine Entscheidung nach dem St. Leger mitteilen werde. Ich brauche Zeit zum Nachdenken.«
Cameron schlug die Beine übereinander. »Ich habe meine Meinung geändert. Ich will die Antwort sofort.«
»Heißt das, du bist hergekommen, um mich mitzunehmen? Hier gibt es Wachen.«
»Nein, verdammt. Ich bin hergekommen, um dich zu überzeugen.«
»Du bist ein arroganter Mann, Cameron MacKenzie.«
Cameron schob die Flasche zurück in seine Tasche. »Ich bin ein verdammt ungeduldiger Mann. Ich verstehe nicht, warum zum Teufel du darauf bestanden hast, mit fliegenden Fahnen hierher zurückzukehren, um die beste Dienerin der Königin zu sein.«
Ainsley hob abwehrend die Hände. »Ich brauche das Geld. Ich bin keine reiche Frau, und ich kann von meinem Bruder nicht erwarten, dass er mich ewig
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