Lord der toten Seelen: Royal House of Shadows (German Edition)
jeden einsperrt, der ihm widerspricht, meine ich.“
Wut ließ seine Knochen scharf unter der Haut hervortreten, aber dann leuchteten die grünen Augen auf. „Erzähl das Märchen, Liliana. Ich verspreche dir, ob gut oder schlecht, du wirst die Nacht nicht im Kerker verbringen.“
Liliana traute dem Leuchten nicht. Ihr Herz schlug heftig gegen ihre Rippen, und ihre Hände wurden feucht. „Was habt Ihr mit mir vor?“
5. KAPITEL
E r lächelte. Und ihr stockte der Atem, als sie seine herzzerreißende Schönheit vor sich sah. Jetzt begriff sie, jetzt erkannte sie das Kind, das er einst gewesen sein musste. Ein Kind, das ein ganzes Königreich für sich eingenommen hatte. Doch seine Worte waren nicht die eines Kindes, sondern die eines intelligenten und gefährlichen Mannes. „Du musst dir doch vorstellen können, was der Wächter des Abgrunds dir antun kann.“
Sie musste ihre ganze Willenskraft zusammennehmen, um ihre Stimme wieder zu erheben, denn sie wollte ihn nur noch anstarren, diesen verlorenen Prinzen, der zu einem düsteren Fremden geworden war. „König Aelfric …“, sie sah, wie er die Hände fest um die Armlehnen seines Thrones klammerte, aber er sagte nichts, „… war weise und mächtig. Es steht geschrieben, dass sein Volk alles für ihn getan hätte, weil es ihn so sehr liebte.“ Sie hatte viele Stunden in den Archiven verbracht, die ihr Vater nie betrat, obwohl er selbst einen Chronisten beschäftigte, der seine „großen Taten“ niederschrieb.
„Könige werden nicht geliebt“, unterbrach der Wächter des Abgrunds sie barsch. „Sie herrschen. Sie können nicht nett sein dabei.“
Liliana rieb sich mit einer Faust übers Herz. „Manche Könige herrschen, und manche regieren“, flüsterte sie. „Manche sind beliebt, manche nicht. Aelfric war es, denn er war gerecht und führte sein Volk mit sanfter Hand.“
„Gerechtigkeit allein schafft keine Liebe.“
Sie sah ihm in die Augen, die undurchdringlich geworden waren, und fragte sich, ob er ihr eine Frage stellte oder einfach eine Aussage machte. „In Elden“, fuhr sie fort, „reichte es.“ Als er sie nicht wieder unterbrach, sprach sie weiter: „Sein Volk dürstete nach Wissen und liebte es zu reisen. Manche fanden sogar einen Weg in eine Welt ohne Magie und kehrten mit den fantastischsten Geschichten zurück.“
Die Geister flüsterten ihren Unglauben, und der Lord der Schwarzen Burg schnaubte verächtlich. „Eine Welt ohne Magie? Das ist, als redete man von einer Welt ohne Luft.“
„Das ist meine Geschichte“, sagte Liliana mit einem gezierten Schnaufen und strich ihre schwarze Tunika glatt. Sie war formlos wie ein Kartoffelsack, aber immer noch besser als das hässliche braune Kleid.
„Wenn sie Euch nicht gefällt“, fuhr sie fort und streckte dabei ihre riesige Hakennase in die Luft, „müsst Ihr ja nicht zuhören.“
Noch nie hatte jemand solche Worte in einem solchen Tonfall zu ihm gesagt, aber auch wenn ein Teil ihrer Geschichte eine ursprüngliche Wut in ihm weckte, war sie doch fesselnd und viel besser als alles, was er in den letzten Jahren gehört hatte. Im Dorf gab es einen Geschichtenerzähler, aber wenn der Wächter des Abgrundes ihn in die Schwarze Burg lud, bebte und zitterte der alte Mann so sehr, dass man befürchten musste, er könnte zerbrechen. Und seine Zähne klapperten die ganze Zeit als Begleitmusik.
„Fahr fort“, sagte er zu seiner seltsamen Geschichtenerzählern, dieser Liliana, die aus dem Nichts aufgetaucht war und an der eine Magie hing, die ihm bekannt vorkommen sollte, eine Magie, die in ihm eine lang vergessene Wut weckte … und verborgene Erinnerungen.
Er schüttelte den Gedanken sofort ab – er war der Wächter des Abgrundes, und so war es immer gewesen, seit er in der Schwarzen Burg die Augen geöffnet hatte. Andere Erinnerungen hatte er nicht. „Liliana“, ermahnte er sie, als sie nicht sofort gehorchte.
Sie hob den Kopf. „In diesem Land ohne Magie“, sie kniff streng die Augen zusammen, als die geisterhaften Bewohner der Schwarzen Burg amüsiert kicherten, „heißt es, wird alles von mechanischen Kreaturen erledigt. Sie bauen Monolithe mit grausigen Biestern aus Metall, und sie haben sogar Vögel, die auf Stahlschwingen durch die Luft fliegen.“
Kalt. Kalt. Kalt
, flüsterten die Bewohner, aber der Lord fragte sich, wie diese riesigen Strukturen aussehen mochten. Doch als er die Lider schloss, sah er nur eine Burg, groß und solide. Bunte Banner hingen von ihren
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