Lord der toten Seelen: Royal House of Shadows (German Edition)
Körper sich nicht mehr davon erholen konnten. „Glaubst du ihm?“
„Tue ich.“ Ein trauriger, trauriger Klang. „Er lügt nicht. Niemals, nie.“
„Nein, das tut er nicht.“ Aber er war auch nicht naiv. Er war nur unverdorben – arrogant und verwöhnt, das schon, aber nicht verdorben. „Warum bist du still geworden, als ich von Sklaven gesprochen habe?“
„Der Lord hat gesagt, er will nicht, dass ich ein Sklave bin. Ich kann einfach bleiben, hat er gesagt, und nichts tun.“ Jissa verzog das Gesicht. „Ich habe ihm gesagt, ich koche. Das ist gerechter.“
„Ich kann mir nicht vorstellen, warum du dir die Mühe gemacht hast“, murmelte Liliana in einem Versuch, schlechte Laune zurückzugewinnen. „Missgelaunte Kreatur, die er ist.“
„Nicht, Liliana.“ Ein rügender Blick. „Er ist einsam, so einsam.“
Ja, aber er war auch ein besitzergreifendes Biest. „Ist der Lord sehr reich?“, fragte sie, um Jissa von ihren Sorgen abzulenken. „Können wir alle Zutaten kaufen, die wir brauchen?“
Jissa nickte. „Er hat Schätze. Ich habe sie einmal gesehen, nach dem Aufwachen. Funkelnde Juwelen. Er hat mir welche gegeben.“ Ihre Augen leuchteten auf. „Ich durfte sie behalten, Liliana!“
Liliana schnürte sich die Kehle zu. Der Wächter des Abgrundes hatte auf seine Weise versucht, Jissa wieder glücklich zu machen. Er wollte sie vergessen lassen, dass sie sterben musste, wenn sie die schützende Magie der Burg verließ. „Zeigst du mir mal deine Juwelen?“
„Oh ja, so hübsch, so hübsch.“ Jissa plapperte über ihre Schätze, bis sie das Dorf erreicht hatten. „Wir kommen gleich auf den Marktplatz, viele Leute da, viele, viele.“ Kaum hatte das letzte Wort die Lippen der Brownie verlassen, betraten sie auch schon den geschäftigen Marktplatz. Er war voller Stände, auf denen grüne Bohnen angeboten wurden, Karotten, reife, orangefarbene Kürbisse und noch viel mehr.
11. KAPITEL
I hr seid also aus der Schwarzen Burg“, sagte ein rotwangiger Mann mit einer sauberen blauen Schürze über seiner Kleidung.
Liliana erwartete, dass Jissa antwortete, aber die Brownie senkte nur den Kopf. „Ja“, sagte sie zu dem Mann. „Ich bin Liliana, und das hier ist Jissa.“
„Ich kenn Jissa.“ Er klopfte sich den dicken Bauch. „Die Kleine sagt nicht viel, was?“
Liliana legte schützend eine Hand auf die Schulter ihrer Freundin. „Sie spricht, wenn es etwas zu sagen gibt.“
Der Händler lachte dröhnend. „Wünschte, meine Alte würde es auch so halten.“ Er suchte einen kleinen reifen Pfirsich aus und legte ihn zwinkernd in Jissas Korb. „Guten Appetit.“
Ähnlich freundliche Bemerkungen begleiteten ihren ganzen Einkauf.
„Hat man hier keine Angst vor der Schwarzen Burg?“, fragte Liliana, als sie und Jissa stehen geblieben waren, um sich ein paar harte grüne Früchte anzusehen, die laut Jissa eine leckere Marmelade ergaben. „Schließlich ist es doch die Pforte zum Abgrund.“
„In der Nacht ja, oh ja“, bestätigte Jissa. „Türen geschlossen. Fenster geschlossen. Aber der Lord beschützt das Dorf auch. Sehr gut beschützt er es.“
„Und er ist nicht wie die anderen“, sagte eine Händlerin, die anscheinend mitgehört hatte.
Liliana sah zu der knochigen Frau mit den wilden schwarzen Locken und der Haut wie ebenholzfarbene Seide auf. „Die anderen?“
„Wir haben Geschichten gehört“, sagte die Frau, „aus den weit entfernten Reichen. Hinter den Ebenen und den kochenden Seen, jenseits der Eisgebirge, auf der anderen Seite der Großen Schlucht.“
„Was sagen diese Geschichten?“
Die Frau verschränkte die Arme und senkte die Stimme. „Dass es da Lords gibt, die in die Häuser der Männer kommen und ihnen die Töchter rauben. Und wenn sie ihnen gefallen, auch die Ehefrauen.“
Liliana nickte kaum merklich. Jene zu ermorden und zu vergewaltigen, die sich nicht verteidigen konnten, Alt und Jung gnadenlos zu missbrauchen, das zeichnete auch die Männer ihres Vaters aus. Monster in Menschengestalt. „Ja, davon habe ich gehört.“
„Siehst du“, sagte die Marktfrau. „Mit dem Wächter sind wir viel besser dran. Auch wenn wir nicht gern lange in der Burg sind. Geister und so, weißt du.“
Als Liliana Jissa danach an einen Stand voller exotischer Gewürze folgte, konnte sie nicht anders, als sich zu fragen, wie es dem Wächter gelungen sein mochte, seine Ehrenhaftigkeit zu bewahren, obwohl er in der Schwarzen Burg lebte und jede Nacht mit dem Bösen
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