Lord der toten Seelen: Royal House of Shadows (German Edition)
weigerte sich aufzugeben, weigerte sich, sich zu ergeben. Nicht ihm, niemals ihm. Selbst wenn …
Eine massive Welle der Macht – rein, sauber,
stark –
rauschte durch ihre Adern.
Mit letzter Kraft brachte sie diese Macht an die Oberfläche und schleuderte sie wie rasiermesserscharfe Dolche auf ihren Vater zu. Sein Schrei zerstörte die schwarze Zelle, und Liliana taumelte zurück in ihre Traumlandschaft. Scherben wie aus Onyx fielen um sie herum zu Boden, schnitten und stachen sie. Keuchend und halb erstickt nutzte sie die berauschende Macht in ihren Adern dazu, die letzten Fesseln des Zaubers zu lösen, und landete wieder in der Realität mit einem Ruck, der sie aus dem Bett hochfahren ließ.
Vor sich sah sie das Gesicht des Lords der Schwarzen Burg.
Seine Augen brannten schwarz, und als er ihr das Haar aus dem Gesicht strich, um sie im Licht der Lampe betrachten zu können, die auf ihrem Nachttisch flackerte, leistete sie keinen Widerstand. „Du blutest“, sagte er barsch, ging ins Badezimmer und kehrte mit einem weichen Handtuch zurück. Sie legte die Finger an ihren Hals und spürte dort die Striemen und das klebrige Blut. Schockiert, wie sie war, wehrte sie sich nicht, als er mit der rechten Hand das Tuch an ihren Hals legte. Die linke blieb fest zur Faust geballt.
Lilianas Blick richtete sich starr auf diese Faust. Als sie an seinen Fingern zog, sie zu öffnen, spürte sie etwas Nasses, Klebriges. „Was habt Ihr getan?“ Sie sah auf den tiefen Schnitt in seiner Handfläche hinab. „Was habt Ihr
getan
?“
Die Hand, die das Tuch an ihren Hals drückte, zuckte und drückte dann weiter. „Du bist Blutmagierin.“
Ein Schauer überkam sie, als sie begriff. Er hatte gesehen, dass sie in ihrem Albtraum gefangen war, und ihr die Magie gegeben, die sie brauchte, um sich zu befreien. Sein Blut war berauschend. Ihr eigenes war im Vergleich dazu schwach. Elden selbst pochte in seinen Adern. „Danke“, murmelte sie, während sie ein zweites Handtuch nahm, das er auf den Nachttisch gelegt hatte, und es auf seine Schnittwunde presste. „Aber Ihr solltet Euer Blut nicht so verschwenden. Es liegt unglaubliche Macht darin.“
Der Wächter des Abgrundes warf ihr einen Blick so voller Wut zu, dass sie erstarrte. „Dann hätte ich dich sterben lassen sollen, Liliana? Würdest du das von mir verlangen?“
Sie hatte ihn beleidigt. „Nein“, sagte sie sofort. „Aber Ihr seid so viel wichtiger als ich.“
Unglaublich viel.
„Wenn Ihr sterbt, was geschieht dann mit dem Abgrund?“
„Es wird ein neuer Lord kommen.“ Seine Augen funkelten weiterhin vor Wut, auch wenn sie wieder wintergrün geworden waren. „Es wird nie eine neue Liliana geben.“
Ihr Herz machte einen Sprung, blieb stehen, und als es wieder anfing zu schlagen, gehörte es ihm, diesem Prinzen von Elden, der zum Lord der Schwarzen Burg geworden war. Sie konnte nicht verhindern, dass ihre Unterlippe bebte, und die Träne nicht aufhalten, die ihr die Wange hinablief. Zum zweiten Mal weinte sie vor ihm, sie, die immer versuchte, sich solche Verletzlichkeit nie, niemals anmerken zu lassen.
Der Wächter des Abgrundes stieß ein heiseres Geräusch aus seiner Kehle hervor, und dann hob er sie hoch und setzte sie auf seinen Schoß, wo sie sich an seine kühle Rüstung lehnte. Als er ihr befahl, weiterhin das Tuch auf ihre Wunden zu drücken, gehorchte sie, weigerte sich aber, dafür seine Handfläche loszulassen.
„Ihr blutet noch“, sagte sie durch ihre Tränen. „Ich kann die Macht schmecken.“ Sie war mächtig und dunkel und verlockend. So verlockend. Die Magie, die sie mit diesem Blut wirken könnte …
Nein.
Sie schleuderte seine Hand von sich und auch das Handtuch von ihrem Hals, krümmte sich schreckensbleich zusammen. „Lasst mich los. Ich bin böse.“ Am Ende war sie doch nur die Tochter des Blutmagiers.
Starke Finger an ihrem Gesicht, sein Arm, der sie fest an Ort und Stelle hielt. „Das Blut, das du schmeckst, gebe ich freiwillig“, murmelte er ihr ins Ohr. „Es berauscht.“
Sie erschauerte, weil er recht hatte. Die herrliche Pracht floss durch ihre Adern, umnebelte ihre Sinne und drohte, sie zu ihrem Sklaven zu machen. „Bitte.“
„Hast du schon einmal Blut gerochen, das nicht freiwillig gegeben wurde?“
Sie dachte an das Turmzimmer ihres Vaters, an den Schrecken, gefesselt dazusitzen und seinen Opfern nicht helfen zu können … und dann, später, hatte er ihr den Willen genommen und sie gezwungen, ihm zu helfen.
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