Lord der toten Seelen: Royal House of Shadows (German Edition)
sich an Elden erinnern konnte. Und wenn er sich erinnert hatte, musste er die Rüstung von Neuem aufbauen, um sich auf den größten Kampf seines Lebens vorzubereiten. Aber die Zeit … die Zeit verging so schnell. Sie hatte nur noch bis zum nächsten Vollmond, der Zeitpunkt war schon viel zu nah.
„Liliana.“
Sie klammerte sich an den Rand der Arbeitsplatte und sagte: „Die Kekse riechen gut.“
„Du auch.“
Sie verschränkte die Arme und ging mit steifen Schritten auf ihn zu, um ihm ins Gesicht zu sehen. „Ich bin nicht schön, Micah.“ Jemand musste es sagen, denn auch süße Lügen taten weh. „Du musst solche Sachen nicht sagen.“
Seine Wimpern, voll und seidig und lang, senkten sich über seinen atemberaubenden Augen und hoben sich wieder. „Doch, bist du.“
Der Tonfall in seiner Stimme war ihr bereits mehr als vertraut. „Nur weil du es sagst, macht es das nicht wahr!“ Sie wollte mit dem Fuß aufstampfen wie ein trotziges Kind.
„Ich bin der Lord der Schwarzen Burg“, rief er ihr noch einmal voll dunkler Arroganz in Erinnerung. „Mein Wort ist Gesetz. Vergiss nicht, über das Küssen nachzudenken. Ich werde dich wieder schmecken, sobald die Sonne untergeht.“
Liliana starrte noch Minuten später die geschlossene Tür an, als ihr kleinster Freund in dieser Burg voll alter Magie und flüsternder Geister ihr über den Fuß krabbelte, um sie an etwas zu erinnern. „Die Kekse!“ Sie schnappte sich ein Tuch, öffnete den Ofen und nahm sie gerade noch rechtzeitig heraus. „Also“, murmelte sie und sah hinab auf die zuckende Nase der neugierigen Kreatur, die mittlerweile recht gesund aussah, „ich glaube, dafür hast du dir einen ganzen Keks für dich allein verdient.“
Sie hätte schwören können, das kleine Tier lachte vor Freude.
Micah legte Liliana dieses Mal ein strahlend silbernes Kleid hin. Die Fäden waren so fein, dass sie jeden Lichtschimmer einfingen und hundertfach zurückwarfen. Sie wird wie eine Sternschnuppe aussehen, dachte er, und ich werde sie küssen. Sein Körper erhitzte sich unter der engen schwarzen Rüstung, und zum ersten Mal störte ihn ihr Gewicht. Trotzdem konnte er sie nicht ablegen, nicht heute Nacht. Die Energie der Schatten lag in der Luft, und er wusste, dass sich Verdammte in den Ödlanden aufhielten – er musste sie einfangen, ehe sie Schaden anrichteten.
„Ich komme zwei Stunden nach Mondaufgang zurück“, teilte er Bard mit, ehe er aufbrach. „Sag Liliana, sie soll auf mich warten.“ Als er in die samtschwarze Nacht hinaustrat und seine Flügel ausbreitete, die ihn in die Luft trugen, dachte er an ihren Kuss. Die Dorffrauen hatten oft versucht, ihn zu verführen, aber unter all ihren lockenden Blicken hatte ein ängstliches Beben gelegen, die zitternde Sehnsucht, mit der Gefahr zu spielen.
Er hatte nicht die geringste Lust, eine Frau zu küssen, die bebte, weil sie Angst hatte. Liliana hatte auch gebebt, aber nicht vor Angst. Seine Lippen bogen sich zu einem Lächeln. Auch wenn er noch keine andere Frau geküsst hatte – er wusste, dass sie bebte, weil es ihr gefiel. Besonders wenn er seine Zunge an ihrer rieb. Er wollte mit seiner Zunge auch …
Eine Welle öliger Energie. Der Gestank nach Verwesung.
Wieder in voller Rüstung, auch wenn er sich nicht daran erinnern konnte, sie beschworen zu haben, machte er sich auf die Jagd nach der Seele. Dem Geruch nach war es ein Blutmagier. Aber nicht wie Liliana. Dieser hier hatte unschuldiges Blut vergossen, und dieser Makel klebte an ihm.
Der Zauberer, dessen Körper im Tod geschrumpft war und dessen Augen wie unergründliche rote Seen wirkten, versuchte ihn mit einem Sperrfeuer seiner rasiermesserscharfen Macht abzuwehren. Micah ignorierte es einfach. Es war ein alter Trick. Die Scherben versuchten, sich in seine Rüstung zu graben, und sie enthielten so viel Bosheit, dass es einer gelang, das Schwarz anzusengen.
Mit der kalten Macht aus den Tiefen des Abgrunds lenkte er die Scherben zurück auf ihren Meister. Der Zauberer kreischte hoch und schrill. Als Micah ihn erreichte, fand er einen wimmernden Ball vor, zerfetzt, als hätte man ihn durch ein Netz aus Rasiermessern geworfen, bis man durch die Überreste seines Schattendaseins hindurch die Nacht sehen konnte.
„Der Abgrund erwartet dich.“
„Nein, nein.“ Die Stimme des Magiers war kaum noch ein Flüstern, seine Magie erloschen.
„Wie bist du gestorben?“ Denn er war nah am endgültigen Tod, sein Schatten verblasste
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