Lord der toten Seelen: Royal House of Shadows (German Edition)
furchtbar schuldig. Sie ging zu ihr hin und stellte sich ihr gegenüber an die Arbeitsfläche. „Es tut mir leid.“ Sie hatte nicht einmal darüber nachgedacht. „Ich wollte nur nicht zurück in den Kerker geworfen werden, deshalb habe ich gesagt, dass ich kochen kann.“
Die Frau sah Liliana an und blinzelte. „Oh nein, oh nein, ich bin ein schrecklicher Koch, bin ich wirklich.“ Sie nahm ein Brötchen von einem Tablett auf der Bank und ließ es auf den Boden fallen. Es sprang wieder hoch. „Ich weiß selber nicht, warum der Lord mich nicht schon lange hat köpfen lassen. Vielleicht, oh ja, vielleicht gefällt ihm, wie sehr mein Essen an diesen Ort passt.“
Von ihrer Freundlichkeit überrascht, sagte Liliana: „Aber du hast gerade so enttäuscht ausgesehen.“
Die Frau errötete an den Ohrenspitzen. „Oh nein, das war nichts. Überhaupt nichts. Ich bin Jissa.“
„Liliana.“
Jissa streckte die Hand aus und zupfte an Lilianas zerknittertem und mit Blut verklebtem Kleid. „Eine gute Köchin bin ich nicht, aber ich halte alles sauber. Du bist
nicht
sauber.“
„Nein.“ Liliana kratzte sich beschämt am Kopf. „Ein Bad hätte ich wirklich sehr gern.“
„Du musst dich beeilen, wirklich sehr beeilen, wenn du noch eine Mahlzeit kochen willst“, warnte Jissa sie und unterstrich ihre Worte mit dem Nudelholz. „Wenn der Lord beim ersten Glockenschlag noch nicht sein Abendessen hat, wird er dich wieder in den Kerker stecken.“ Die Brownie huschte, während sie sprach, umher und bedeutete Liliana mit schnellen vogelartigen Bewegungen, ihr zu folgen. „Mittagessen gibt es heute nicht. In der Burg ist er nämlich nicht.“
Liliana rannte ihr nach und merkte, dass sie in ein kleines Badezimmer geführt wurde, wo Jissa bereits eine Pumpe betätigte, um die Wanne zu füllen. „Das kann ich doch …“
Die Brownie schüttelte den Kopf. „Zieh dich aus, und steig ein, sofort ein.“ Sie klang ungeduldig. „Tut mir leid, dass es kalt sein muss, wirklich sehr kalt, aber es ist keine Zeit, das Wasser zu erhitzen.“
Liliana hatte so viele Tage im Kerker ihres Vaters gesessen, weil sie sich geweigert hatte, einem Mann die Kehle durchzuschneiden, und dann noch die eine Nacht hier. Sie war nur froh über die Möglichkeit, sich zu waschen. Also gab sie jede Scham auf, zog sich alle Kleider aus und stieg in das eiskalte Bad. Zitternd nahm sie das grobe Seifenstück vom Rand, steckte den Kopf unter die Pumpe und machte sich die Haare nass.
Während sie ihr Haar einseifte, sagte Jissa: „Du bist nicht gut gebaut, wirklich nicht.“
Von anderen wäre das eine Beleidigung gewesen, aber Jissa sagte einfach nur die Wahrheit, also nickte Liliana. „Stimmt.“ Ihre Brüste waren so klein, dass sie im Grunde nicht existierten, und darunter ragten ihre Rippen durch die Haut. Ihr Hintern war im Vergleich dazu riesig, und eines ihrer Beine war kürzer als das andere.
„Hier wirst du gut hinpassen, ja, das wirst du“, sagte Jissa mit einem plötzlichen Lächeln, das ihr einen abenteuerlichen Charme verlieh. „Denn
er
ist die einzig schöne Gestalt hier, und selbst er verwandelt sich in ein Monster.“
Liliana tauchte lachend den Kopf unter Wasser und wusch sich den Seifenschaum aus den Haaren, ehe sie sich erneut einseifte. Jissa hörte auf zu pumpen und lehnte sich gegen die Pumpe, als müsse sie sich von der Anstrengung erholen.
„Wo kommst du her, Jissa?“, fragte Liliana und strich sich die Seife mit einem Genuss über die Arme, den auch das eiskalte Wasser nicht trüben konnte. „Du bist doch sicher kein Wesen aus dem Abgrund.“ In der Brownie steckte nichts Böses – darauf würde Liliana ihr Leben verwetten.
Jissa machte ein trauriges Gesicht. „Ein Wald in den Bergen, weit von hier, so weit“, flüsterte sie. „Der Blutmagier ist in unser Dorf gekommen und hat unsere Magie gestohlen. Gestohlen und gestohlen. Ich habe überlebt, aber er hat gesagt, er kann meinen Anblick nicht ertragen, also hat er mich mit einem Zauber aus den Königreichen verbannt, aus der Welt verbannt. Hier hat der Zauber mich hingebracht.“
Liliana zog sich der Magen zusammen. Sie wusste, dass Jissa sie hassen würde, wenn sie erfuhr, dass das Blut dieses Mörders in ihren Adern floss, aber Liliana brauchte ihre Freundschaft. Also biss sie sich auf die Zunge und stellte sich unter die Pumpe, als Jissa den Hebel wieder betätigte.
Es tut mir leid
, flüsterte sie tief in sich,
es tut mir leid, dass mein Blut schuld daran
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