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Lord Gamma

Lord Gamma

Titel: Lord Gamma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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Kontaktlinsen. Alle waren gesund und ohne technische oder medikamentöse Hilfe lebensfähig. Zwar gab es häßliche und alte Menschen und einige Jugendliche unter den Passagieren, aber keine Herz- oder Leberkranken, keine Diabetiker, keine Personen mit Amputationen oder Transplantationen. – Und keine Babys. Wie es aussieht, sind Säuglinge für das Projekt nicht geeignet. Manchmal denke ich sogar, daß die Konstellation der Passagiere kein Zufall war, sondern die Lords diese Auswahl getroffen und uns zusammengestellt hatten. Daß sie über Wochen hinweg unterschwellig unser Leben mitgeplant und uns geleitet hatten, von den Reservierungen für den Flug bis auf die Sitze der Maschine. Paranoid, findest du nicht?«
    Prill hob die Schultern.
    »Nun gut, was soll ich noch erzählen? Die Maschine hob mit zehn Minuten Verspätung in Richtung Westküste ab. Du hast stocksteif auf deinem Sitz gesessen, hast still gebetet und dich strikt geweigert, einen Blick aus dem Fenster zu werfen. Dabei hast du meine Hand so fest gedrückt, daß man noch heute blaue Flecken sieht. Eine halbe Stunde später zeigten die Beruhigungstabletten Wirkung, und du bist eingeschlafen. Es war ein Nachtflug. Nach einer Weile war auch ich eingenickt, oder ich hatte das Bewußtsein verloren, wie alle anderen vermutlich auch. Irgendwann und irgendwo über dem Kontinent ist es dann passiert. Was genau passiert ist, kann dir nicht sagen. Flug 929 kam wahrscheinlich nie in L.A. an. Den Rest kennst du.«
    Ich machte eine Pause und sah mich im Zimmer um, während Prill meinen Worten und ihren Gedanken nachhing. Es war schwer für sie, aufzuwachen, es zu begreifen, wieder und wieder. Ich begann derweil, die auf dem Bett verteilten Lebensmittel aufzuessen. Nach einer Weile schien sich auch Prill ihres leeren Magens bewußt zu werden, und so gönnten wir uns mit Fruchtsaft und Brot, das ich zusätzlich aus der Küche holte, auf Ritas Bett eine Stärkung.
    Prills letztes Abendmahl.
    Ich hatte es noch nicht übers Herz gebracht, sie auf das vorzubereiten, was sie eventuell erwartete. Ehe nicht feststand, ob sie auf den Schlüssel ansprach, gab es keinen Grund, sie noch mehr zu schockieren. Prill war bestürzt genug, als ich ihr sagte, daß sie die Station mit mir für immer verlassen würde. Die Oberfläche ängstigte sie. Bisher nur die Oberfläche …
    … Hey, Baby, komm mit nach oben. Wir machen eine kleine Spritztour in den Sonnenuntergang, und dann erschieße ich dich …
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Was hast du«, fragte Prill kauend.
    »Wir müssen verschwinden, ehe sie die Quartiere durchsuchen. Ich bin mir sicher, der Lord weiß inzwischen, daß ich nicht sein Stan bin.«
    »Wer sind diese Lords überhaupt? Du erzählst mir diese Horrorstory, aber ich habe hier noch niemanden gesehen, der mir wie ein Außerirdischer vorkam.«
    Das wundert mich nicht, dachte ich und rief mir die illustre Runde in Erinnerung, die sich im Arboretum um die Getränke-Pyramide versammelt hatte. Die gesamte Bewohnerschaft schien ja aus Außerirdischen zu bestehen; oder zumindest aus Weltentrückten …
    »Wie sehen die Kerle denn aus?« hakte Prill nach, als ich nicht sofort antwortete.
    »In ihrer menschlichen Gestalt oder in Wirklichkeit?«
    »Beides natürlich.«
    Ich blies die Backen auf. »Gibt es jemanden in dieser Station, der besondere Autorität besitzt? Jemand, der die gesetzgebende Gewalt mimt, aber sich nur sehr selten blicken läßt und auch nicht in eure Gesellschaft mit eingebunden zu sein scheint?«
    »Ja, Salmeik, der Entertainer«, antworte Prill, ohne lange nachzudenken. »Ein riesiger, fürchterlich fetter Glatzkopf, der einmal im Monat auftaucht und das Ersttagsfest moderiert.«
    »Das ist er«, nickte ich.
    »Der Lord?« Prill zeigte sich amüsiert. »Dieses Walroß?«
    »In ihrer menschlichen Gestalt sehen sie alle so aus. Und dabei müssen sie ihre Körper bereits verdichtet haben. Wie sie in Wirklichkeit aussehen, kann ich dir nicht genau sagen. Ich habe nur ein einziges Mal den Schatten von einem von ihnen gesehen. Er war fast doppelt so groß und wie ein Mensch und besaß einen riesigen Kopf – oder zumindest etwas, das ein Kopf hätte sein können. Seine Arme und Beine waren seltsam unförmig, ohne Finger. Ich habe mir oft Gedanken darüber gemacht, woran mich dieser Schatten mit seinem monströsen Schädel und den klumpigen Gliedmaßen erinnerte, und schließlich kam ich drauf. Erinnerst du dich daran, was ein Zirkus ist?«
    »Ja«, nickte

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