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Lord Peter 03 - Keines natürlichen Todes

Lord Peter 03 - Keines natürlichen Todes

Titel: Lord Peter 03 - Keines natürlichen Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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Krone – du weißt ja, das sind dreißig Pennies. Kannst du die brauchen?«
    Das Kind bewies sogleich seine Zugehörigkeit zum Menschengeschlecht. Der Anblick von Reichtum schüchterte es ein, so daß es stumm vor ihnen stand und den einen staubigen Schuh am Strumpf des anderen Beins rieb.
    »Du siehst aus«, fuhr Lord Peter fort, »als ob du deine jungen Freunde durchaus in Schach halten könntest, wenn du nur willst. Du scheinst mir überhaupt ein charakterstarkes Mädchen zu sein. Also, wenn du es schaffst, daß sie die Finger von meinem Wagen lassen, solange ich im Haus bin, bekommst du diese halbe Krone, verstanden? Wenn du sie aber an die Hupe ranläßt, höre ich es. Und jedesmal, wenn ich die Hupe höre, verlierst du einen Penny, klar? Wenn es also sechsmal hupt, bekommst du nur zwei Shilling. Und wenn ich es dreißigmal hupen höre, bekommst du überhaupt nichts mehr. Ab und zu werde ich auch aus dem Fenster sehen, und wenn dann jemand am Wagen herumfummelt oder darinsitzt, kriegst du auch nichts. Habe ich mich klar ausgedrückt?«
    »Ja. Ich paß für ne halbe Krone auf Ihre Karre auf. Und für jedes Hupen knapsen Sie mir’n Roten davon ab.«
    »Richtig.«
    »Geht in Ordnung, Mister. Ich geb acht, daß keiner drangeht.«
    »Braves Mädchen. Also, Sir.«
    Der bebrillte junge Mann führte sie in einen düsteren Warteraum, der an einen Bahnhof erinnerte und mit alttestamentarischen Bildern vollgehängt war.
    »Ich werde Mr. Dawson sagen, daß Sie hier sind«, sagte er und verschwand mit seinem theologischen Band fest in den Händen.
    Bald vernahm man schlurfende Schritte auf dem Kokosboden, und Wimsey und Parker wappneten sich, dem schurkischen Erbanwärter zu begegnen.
    Doch als die Tür aufging, trat lediglich ein ältlicher Westinder ein, dessen Äußeres so demütig und unaufdringlich war, daß den beiden Detektiven das Herz bis in die Stiefel sank. Etwas weniger Mörderisches konnte man sich kaum vorstellen, wie er so vor einem stand und nervös durch die Stahlrandbrille blinzelte, deren Rahmen schon einmal gebrochen und mit einem Stück Schnur repariert worden war.
    Hochwürden Hallelujah Dawson war unbestreitbar ein dunkelhäutiger Mann. Er hatte die angenehmen, adlerhaften Züge und die olivbraune Haut des Polynesiers. Sein Haar war spärlich und angegraut – nicht wollig, aber stark gekräuselt. Die gebeugten Schultern steckten in einem abgewetzten Priesterrock. Er rollte die schwarzen, an den Rändern etwas gelblichen und leicht vorstehenden Augen, und sein liebenswürdiges Lächeln war offen und frei.
    »Sie haben nach mir gefragt?« begann er in perfektem Englisch mit nur leichtem Eingeborenentonfall. »Ich habe doch wohl nicht das Vergnügen –?«
    »Guten Tag, Mr. Dawson. Ja, wir – äh – treiben gewisse Nachforschungen in Verbindung mit der Familie Dawson aus Crofton in Warwickshire, und man hat uns gesagt, Sie könnten uns womöglich weiterhelfen, was die Verbindungen nach Westindien betrifft – wenn Sie so freundlich sein wollen.«
    »Ach so, ja!« Der alte Mann richtete sich ein wenig auf.
    »Ich selbst bin – sozusagen – ein Abkömmling dieser Familie. Möchten Sie sich nicht setzen?«
    »Danke. Das haben wir uns übrigens schon gedacht.«
    »Sie kommen nicht von Miss Whittaker?«
    Sein Ton war irgendwie drängend und doch abwehrend. Wimsey, der nicht so recht wußte, was dahintersteckte, entschied sich für ein vorsichtiges Taktieren. »O nein. Wir sind – wir arbeiten an einer Abhandlung über alte ländliche Familien. Grabstein und Genealogien und dergleichen.«
    »Aha! – nun ja – ich hatte vielleicht gehofft –« Seine sanfte Stimme klang in einem Seufzer aus. »Aber ich würde mich auf jeden Fall freuen, Ihnen helfen zu können.«
    »Nun, zur Zeit beschäftigt uns folgende Frage: Was wurde aus Simon Dawson? Wir wissen, daß er seine Familie verlassen hat und nach Westindien ausgewandert ist, und zwar um siebzehn –«
    »Achtzehnhundertzehn«, verbesserte der Alte erstaunlich prompt. »Ja, er war als junger Bursche von sechzehn Jahren in Schwierigkeiten geraten. Er hatte sich mit schlechten Menschen eingelassen, die älter waren als er selbst, und dadurch hat er sich in eine schlimme Geschichte hineinziehen lassen. Es hatte mit Glücksspiel zu tun, und ein Mann wurde dabei getötet. Nicht im Duell – das wäre in der damaligen Zeit nicht als ehrenrührig empfunden worden – obwohl ja Gewalt stets eine Sünde wider den Herrn ist –, aber dieser Mann wurde meuchlings

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