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Lord Schmetterhemd im wilden Westen

Lord Schmetterhemd im wilden Westen

Titel: Lord Schmetterhemd im wilden Westen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Kruse
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Berni.
    »Jawohl,
dann gerade !« ereiferte sich Onkel Rab.
    »Hm
— « machte Zirkus-Joe. »Als ich sein Büro verließ, hörte ich es sehr unschön
knurren — da saß dieser Köter, der auch auf dem Dampfer war, unter seinem
Schreibtisch .«
    »Dann
nicht !« schrie Onkel Rab. Seine Kaninchenohren
schlackerten.
    Aber
er wurde von Tante Turkie und Onkel Berni ausgelacht. Ihr gutes Zureden
bewirkte denn auch, daß Zirkus-Joe seinen Entschluß änderte. Ich glaube, den
Ausschlag gab meine Versicherung, wir würden der Vorstellung beiwohnen und er
stünde unter unserem Schutz, komme was da wolle.
    »Dann
kann uns wohl nichts passieren«, rief er erleichtert. Und Little-Byrd klatschte
in die Hände: »Fein, daß wir noch zusammenbleiben .«
    Später
bereute ich meine leichtsinnigen Versprechungen.

Fotos und Vorbereitungen
     
    Diese
Zusammenkunft in meinem Hotelzimmer fand an einem Freitag statt. Der günstigste
Tag für die Vorstellung war jedoch der Sonntag — nach der Kirche, wenn die
Bürger mit ihren Frauen und Kindern aus der weiten Umgebung in der Stadt
zusammenkamen. Dies um so mehr, als am darauffolgenden
Montag — einem Feiertag — ein Rodeo stattfinden sollte, das viele Leute
anlocken würde.
    Uns
blieben also noch zweimal vierundzwanzig Stunden; Zeit, die wir auf die
verschiedenste Weise ausfüllten. Zu meiner größten Freude, ja Überraschung
gelang es mir, meine Vorfahren zu überreden, ihr Zimmer nun nicht mehr zu
verlassen. Wie immer war Onkel Berni schließlich der Vernünftigste. Er sah ein,
daß sie Zirkus-Joe nicht die Schau stehlen dürften: er sah ein, daß es sehr
unklug gewesen wäre, den Tödlichen Colt vor der Vorstellung noch einmal zu
reizen. Nachdem ich dies zu meiner vollsten Befriedigung geregelt hatte,
beschloß ich, in den verbleibenden zwei Tagen Western-Town zu fotografieren.
Cookie Pott begleitete mich — und die Bewohner der Stadt sahen uns beide also
mit Kamera und Stativ durch ihre Straßen wandern, an allen Ecken Halt machen,
die Apparatur aufbauen, eine besonders reizvolle Fassade auf der Mattscheibe
betrachten — sie sahen mich unter dem schwarzen Tuch verschwinden, wieder auftauchen,
einen neuen Standort suchen... und diesen Vorgang wohl zehnmal wiederholen, bis
ich den besten Platz, die beste Beleuchtung gefunden hatte. Cookie Pott war
immer geduldig, reichte mir die Platten, trug die große Tasche hinter mir her.
Und stets waren wir umgeben von einem Kinderschwarm, von der kleinsten Rotznase
bis hinauf zum angehenden Cowboy. Dann mußte ich mir mit gutem Zureden,
Versprechungen und Geschenken Raum vor dem Objektiv schaffen.

    Ich
glaube, daß ich auf diese Weise an die hundert Eintrittskarten für Zirkus-Joes
Vorstellung verteilte.
    Dieser
war ebenfalls nicht müßig. Manchmal begegneten wir uns, wenn er mit Little-Byrd
durch die Stadt ging, um bunte Plakate an die Hausecken zu kleben. Der Text
entsprach dem, den er ausrief. An jeder Straßenecke schwang er die Glocke, ihr
helles Bimmeln lockte die Frauen an die Fenster, und wenn er glaubte, genügend
Zuhörer zu haben, brüllte er mit schriller Stimme: »Attraktionen —
Attraktionen! Erste und einzige Vorstellung in Western-Town! Sonntag
vormittag nach der Kirche auf dem Galgenbaumplatz! Sehen Sie die
atemberaubenden Kunststücke der zierlichen Little-Byrd, der jüngsten Künstlerin
der Erde auf dem Drahtseil. Sowas war noch nie da! Sowas kommt nie wieder!
Weltberühmter Spitzentanz auf dem schwebenden Seil! Hoch über dem Boden! Ohne
Netz, ohne Sicherung! Bescheidene Preise! Ein Lump, wer nicht bezahlt !«
    Hörte
ich Zirkus-Joe ausrufen, freute ich mich, denn für diesen Moment war ich die
neugierigen Kinder los. Freilich war Western-Town ja nicht groß. Zirkus-Joe
hatte seine Arbeit bald getan, und schon nach wenigen Stunden gab es wohl
niemanden mehr, der seinen Text nicht auswendig hersagen konnte — dies um so mehr,
als er in den Kindern seine eifrigsten Nachahmer fand. Sie brüllten es auf
Treppenstufen, Balkonen und in allen Haustüren: »Attraktionen — Attraktionen !«
    Zirkus-Joe
freute sich: »Alle werden kommen .« Unsere zarte
Little-Byrd bekam jedoch zunehmend Lampenfieber. Von Stunde zu Stunde wurde sie
unruhiger, ihre Wangen überzogen sich mit einem rosa Schimmer, und sie tänzelte
auf den Zehenspitzen. Da war es gut, daß sie sich den ganzen Freitagnachmittag
und auch am Samstag in den Hinterhof des Hotels zurückzogen. Sie spannten ihr
Seil zwischen zwei Bäume, nahmen uns allen das

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