Lord Stonevilles Geheimnis
»Du willst mich wohl auf den Arm nehmen?«
»Keineswegs. Der Nathan, von dem sie gesprochen hat, ist nicht ihr Vetter. Sie ist vielmehr mit ihm verlobt, und er ist während seines Aufenthalts hier in England verschwunden. Dafür, dass sie uns hilft, beauftrage ich einen Ermittler mit der Suche nach ihm. Du brauchst dir also keine Sorgen darum zu machen, dass ich ihr das Herz breche oder so etwas. Wir haben eine geschäftliche Vereinbarung, mehr nicht.«
Sie sah ihn durchdringend an. »Ach, wirklich?«
Er zwang sich, ihr fest in die Augen zu sehen. »Ja, natürlich. Du hast doch wohl nicht gedacht, dass ich das junge Ding tatsächlich heirate.«
»Ehrlich gesagt weiß man bei dir nie so genau, was als Nächstes kommt.«
»Nun, ich heirate jedenfalls nicht so ein süßes unschuldiges Mädchen. Aber Großmutter glaubt offenbar, dass ich es tun werde, daher könnte mein Plan tatsächlich aufgehen. Sie hat bereits versucht, Maria Geld dafür zu geben, dass sie die Verlobung löst.«
Minerva machte ein verwundertes Gesicht. »Das klingt aber gar nicht nach Großmutter.«
»Wieso?« Oliver sah seine Schwester fragend an. »Sie setzt doch immer ihr Geld ein, um das zu bekommen, was sie will.«
»Aber sie will, dass wir alle heiraten. Vor allem, dass du heiratest.«
»Sie will, dass wir alle eine gute Partie machen. Das ist ein Unterschied.«
Minerva zuckte mit den Schultern. »Wenn du es sagst.« Sie gähnte übertrieben. »Ich glaube, ich gehe auch zu Bett. Es war ein langer Tag.«
Als sie die Tür erreichte, rief er ihr nach: »Würdest du mir eventuell eins von deinen Büchern leihen?«
Minerva drehte sich grinsend zu ihm um. »Willst du wissen, was ich über Rockton geschrieben habe?«
»Was denkst du denn?«, entgegnete er mürrisch. »Du hast mich als üblen Schurken hingestellt.«
»Schon in drei Büchern, und du wolltest noch nie eins lesen.«
»Ich war einfach zu beschäftigt«, gab er achselzuckend zurück.
»Aha.«
Als sie nichts weiter sagte, fuhr er sie an: »Leihst du mir nun eins oder nicht?«
»Ich lege dir gleich einen Band in dein Zimmer.« Minerva zögerte, dann beschwichtigte sie ihn: »Ich weiß, wir machen uns alle darüber lustig, Oliver, aber die Wahrheit ist … Nun ja, Rockton ist nicht du, ganz egal, was Jarret und Gabe behaupten. Und was Foxmoor und Kirkwood betrifft, da gibt es nur ein paar Ähnlichkeiten, sonst nichts. Ich habe ihn nach dir benannt, weil ich dachte, du fändest es amüsant.« Sie zwinkerte ihm verschmitzt zu. »Und du liebst es doch, für einen finsteren Burschen gehalten zu werden.«
»Ich bin ein finsterer Bursche«, erwiderte er, »falls dir das entgangen sein sollte.«
»Wie du meinst.« Minerva drehte sich wieder zur Tür um. »Aber du musst dieser armen Frau Kleider besorgen. In diesem entsetzlichen Fummel kann sie nicht herumlaufen.«
»Ich weiß. Könnte sie nicht vielleicht etwas von dir tragen?«
Minerva lachte. »Das glaube ich nicht. Ich bin einen halben Kopf kleiner und nicht so drall wie sie. Und Celia ist wesentlich dünner.« Sie dachte einen Augenblick nach. »Es wird dich ein Vermögen kosten, sie vernünftig einzukleiden. Vielleicht könntest du Großmutter fragen …«
»Unter keinen Umständen.«
»Dann bleibt dir nichts anderes übrig, als dich in den Secondhandgeschäften umzusehen. Dort bekommt man zwar nicht die modernsten Kleider, aber Maria ist Amerikanerin. Da erwartet niemand, dass sie nach der neuesten Mode gekleidet ist.«
»Eine ausgezeichnete Idee! Danke. Ich kümmere mich darum, wenn wir morgen in die Stadt fahren.«
»Vielleicht möchtest du ja auch noch einen Schreiner aufsuchen. Die Dienstbotentreppe muss dringend repariert werden. Wenn es nicht bald gemacht wird, bricht noch jemand auf den maroden Stufen ein.«
»Ich weiß. Ramsden erwähnte es letzte Woche. Ich habe ihm bereits gesagt, er solle den Kerl aus Richmond bestellen, der auch den Boden in der Speisekammer ausgebessert hat.«
»Und hat dir unser Verwalter auch mitgeteilt, dass sich die Pächter wegen der Frühjahrsaussaat mit dir treffen wollen?«
»Er hat es mir geschrieben, ja. Ich spreche noch diese Woche mit ihnen.«
»Und die Fenster im großen Salon …«
»Schon erledigt, Minerva.« Er musterte sie mit prüfendem Blick. »Seit wann interessierst du dich eigentlich für den Zustand dieses Hauses?«
»Seit wann interessierst du dich dafür?«, gab
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