Lord Stonevilles Geheimnis
sich in sein Arbeitszimmer zurückziehen konnte, um sich seinen Pflichten zu widmen, die er am Vorabend vernachlässigt hatte, aber viel brachte er nicht zustande. Während er versuchte, sich auf die Bücher zu konzentrieren, und Ein- und Ausgänge notierte, klangen ihm die ganze Zeit Marias wohlige Seufzer in den Ohren, und er sah ihr aufreizendes Lächeln vor sich, als sie ihn gefragt hatte, ob er sich etwa an ihr vergehen wollen würde.
Und wie!
Ein Klopfen an der Tür riss ihn aus seinen Träumereien. Als er auf die Uhr sah und entsetzt feststellte, dass bereits zwei Stunden vergangen waren, betrat Jarret das Zimmer und kam zu ihm an den Schreibtisch.
»Ist ja unglaublich!«, sagte der Taugenichts. »Als der Diener sagte, dass du im Arbeitszimmer bist, dachte ich, ich hätte mich verhört.«
»Sehr witzig. Wenn wir hier ein paar Wochen wohnen wollen, muss ich wohl einige Dinge regeln.« Oliver lehnte sich zurück. »Es sei denn, du möchtest das übernehmen. Zahlen sind doch eher deine Stärke.«
Jarret drehte das Kassenbuch zu sich um und warf einen Blick darauf. »Ich weiß nicht. Ich habe den Eindruck, du kennst dich auch ganz gut damit aus.« Er ließ sich auf den Stuhl gegenüber von Oliver fallen. »Außerdem fahre ich morgen in die Stadt, um den Samstag im Blauen Schwan zu verbringen. Kirkwoods Bruder kommt auch, und du weißt ja, er spielt immer mit hohem Einsatz.«
»Und ziemlich schlecht, wenn er betrunken ist – was du natürlich ausnutzen wirst.«
Jarret verschränkte achselzuckend die Hände vor dem Bauch. »Ich dachte, ich sollte versuchen, etwas zum Familiensäckel beizusteuern.«
»Dann spielst du besser Karten mit Bankiers als mit Anwälten. Wir brauchen mehr, als Giles Masters zu bieten hat, um unser Finanzproblem zu lösen.«
»Interessant, dass du das sagst. Minerva hat mir gestern Abend von Miss Butterfields verschwundenem Verlobten erzählt. Also habe ich mich heute Morgen ein wenig mit Freddy unterhalten und erfahren, dass Miss Butterfield ein beträchtliches Vermögen erben wird, falls sie ihren Mr Hyatt nicht heiratet. Wusstest du das?«
Oliver schenkte sich aus der Glaskaraffe, die auf seinem Schreibtisch stand, einen Brandy ein. »Ich weiß nicht, wie beträchtlich es sein wird. Wie viel kann so ein kleines amerikanisches Schiffsbauunternehmen schon wert sein?«
»Hast du wirklich noch nie von New Bedford Ships gehört?«
»Wie sollte ich?« Er nahm einen Schluck Brandy. »Mit dieser Branche bin ich nicht vertraut.«
»Nun, es ist zufällig eine Branche, in die ich investiere, wenn ich Geld übrig habe, was allerdings nicht sehr oft vorkommt.«
Jarret war ein ausgezeichneter Spieler und gewann in der Regel mehr, als er verlor, aber er neigte dummerweise dazu, gelegentlich zu viel zu riskieren, was häufig sein Untergang war. Oliver hatte es nie verstanden, doch sein Bruder schien das Schicksal ständig herausfordern zu müssen.
»Ich bin vorhin in die Stadt gefahren, um meine Quellen zu diesem Unternehmen zu befragen«, fuhr Jarret fort. »Nach allem, was ich gehört habe, ist New Bedford Ships gut und gerne eine Viertelmillion Pfund wert. Wenn man davon ausgeht, dass sie die Hälfte bekommt, macht das mindestens 125 000 Pfund.«
Oliver verschluckte sich an seinem Brandy. »Das soll wohl ein Witz sein!«
»Über Geld mache ich grundsätzlich keine Witze.«
Es dauerte einen Moment, bis Oliver die Sprache wiederfand. »Weiß sie, dass es so viel ist?«
»Ich glaube nicht. Freddy meinte, es könnten ›um die zehntausend Dollar‹ sein, was er offenbar für eine gewaltige Summe hält. Ich denke, ihr Vater war ein sparsamer Mensch und hat sie über die meisten geschäftlichen Dinge im Dunkeln gelassen.«
Oliver wusste auch, warum. Ihm war bereits klar geworden, dass Adam Butterfield auch über seinen Tod hinaus die Kontrolle über das Leben seiner Tochter bewahren wollte. Er musste gewusst haben, dass sich Maria, wenn sie von der Größe ihres Vermögens erfahren hätte, unter Umständen geweigert hätte, den Mann zu heiraten, den er für sie ausgewählt hatte.
Es erklärte außerdem, warum Hyatt eingewilligt hatte, sie zu heiraten, ohne ihr wirklich zugetan zu sein. Da ihm wahrscheinlich die Mittel fehlten, um ihre Hälfte zu erwerben, falls sie sich für einen Verkauf entschied, profitierte er eindeutig von der Eheschließung. Für Maria hingegen war sie weniger vorteilhaft.
Oliver runzelte verdrossen
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