Lords of Salem: Roman (German Edition)
irgendeinem Grund lässt sie sich hundsmiserabel vermieten.« Sie beugte sich vor und wandte sich an Steve. » Nicht beleidigt sein, Steve.« Steve wedelte mit dem Schwanz. Sie sah wieder zu Heidi. » Keiner will die Wohnung haben«, sagte sie. » Ich kapiere es nicht. Ich habe mich in der Stadt umgesehen. Ich weiß, dass die Miete in Ordnung ist.«
Was? , dachte Heidi. Wer war dann der Mann, den sie gesehen hatte? » Aber ich habe vor zehn Minuten oder so jemanden in der Tür stehen sehen«, sagte sie verwirrt und mit zögerlicher Stimme. » Einen seltsamen Mann.«
Lacy hatte den Brief gefunden, den sie gesucht hatte, und riss ihn auf. » Na endlich, hat auch lang genug gedauert«, sagte sie. » Ist ja klar, wenn sie einem Geld schulden, dauert es ewig.« Abrupt hielt sie inne, als ihr auffiel, dass sie Heidi ignoriert hatte. » Was? Was hast du gesagt, Schätzchen?«
» Ich habe von dem Mann in Apartment fünf gesprochen.«
» Apartment fünf?«
Heidi nickte.
Lacy zuckte die Achseln. » Ich weiß nicht, was du meinst«, sagte sie. » Ich sag’s ja nur ungern, aber es ist niemand in Apartment fünf.«
Heidi sah sie an. Niemand in Apartment fünf? Sie hatte jemanden gesehen, da war sie sich sicher. Täuschte sie sich, oder verbarg Lacy etwas vor ihr? Vielleicht war Lacy einfach verwirrt von der Frage. Oder ihr Kater war schlimmer, als sie gedacht hatte.
» Stimmt was nicht, Süße?«, fragte Lacy.
» Also, ich habe auf jeden Fall jemanden darin gesehen«, sagte Heidi. » Aber als ich Hallo gesagt habe, hat er mir die Tür vor der Nase zugeknallt.«
Nun warf Lacy ihr einen langen Blick zu.
» Bist du sicher?«, fragte sie. » Schätzchen, seit einer Woche wollte noch nicht mal jemand die Wohnung besichtigen.«
Steve fand, es sei Zeit für seinen Spaziergang, und winselte.
» Ich glaub schon«, sagte Heidi. » Vielleicht …«, begann sie, doch da sie nicht wusste, was sie sagen sollte, brach sie ab.
» Es wird zwar nichts dabei rauskommen, aber wenn du dich dann besser fühlst, werfe ich mal einen Blick rein.«
Heidi nickte. » Danke«, sagte sie.
Steve bellte und strich um Lacys Beine. Lacy bückte sich, tätschelte seinen Rücken und sprach mit ihm in einem Tonfall, als wäre er ein Baby.
» Guten Morgen, hübscher Junge. Wie geht’s dir heute? Hast du gut geschlafen?«
Heidi verdrehte die Augen. » Okay«, sagte sie. » Es wird Zeit, mit dem hübschen Jungen Gassi zu gehen, ehe er sein hässliches Geschäft hier im Flur verrichtet. Tschüss.«
Lacy lächelte. » Einen schönen Tag noch.«
Sie gingen los, blieben aber schon nach ein paar Schritten stehen, weil Steve am Gebüsch schnüffeln wollte. Heidi blickte zurück zu Lacy, die mitten in der Bewegung erstarrt war, als sie ihren Briefkasten abschließen wollte. Sie blickte die Treppe hinauf. Ihre Haltung wirkte irgendwie seltsam. Dann verschloss sie den Briefkasten und eilte zu ihrer Wohnung.
10
W as ist das für ein Gefühl, das ich spüre, Schwester?«, fragte die erste Nonne.
» Dasselbe, das ich spüre«, sagte die zweite. » Die Zeit ist gekommen.« Sie vollführte eine Geste, als bekreuzigte sie sich, doch das Symbol war komplexer: Sie versah das Kreuz oben und unten mit einem nach außen gekehrten Halbkreis. Es war ein Kreuz, aber doch kein Kreuz. Ein zu etwas anderem pervertiertes Kreuz.
Die andere Schwester vollführte dieselbe Geste.
Sie knieten gemeinsam in der hintersten Bank im dunkelsten Teil der leeren Saint Peter’s Church. Die Nonnen waren beide ziemlich alt. Ihre Köpfe und Gesichter wirkten, wo sie nicht von den Kapuzen der Trachten bedeckt waren, wie verschrumpelte Äpfel, fast geschlechtslos. Ihre leicht zitternden Hände, die auf den Lehnen der Kirchenbank vor ihnen lagen, waren voller Leberflecke und von beinah durchsichtiger Haut bespannt.
» Die Zeit ist endlich gekommen«, sagte die erste Nonne. » Und wir sollten es begrüßen.«
» Ja, allerdings«, sagte die zweite Nonne. » Die verheißene Zeit ist gekommen, und Salem wird zurückerobert.«
Nach einer Weile begann die erste zu beten, in einem langsamen Singsang, der zunächst keinen Sinn zu ergeben schien.
» Nema«, sagte sie. » Tiekgiwe ni, Tiekhcilrreh eid dnu …« Die andere schloss sich an. » Tfark eid dnu Hcier sad …«
Wenn ihnen jemand zugehört hätte, wäre ihm nach einer gewissen Zeit aufgefallen, dass sie nicht einfach vor sich hin brabbelten, sondern es sich um eine Sprache handelte. Und falls dieser Jemand ganz besonders aufmerksam
Weitere Kostenlose Bücher