Lords of Salem: Roman (German Edition)
Zeichen noch immer da.
Ich muss hier raus , sagte sie sich. Sie wandte sich vom Fenster ab und ging auf die Tür zu, doch ehe sie sie erreichte, hörte sie ein Rascheln in der Dunkelheit. Irgendetwas oder irgendjemand war dort.
» Hallo?«, sagte sie, ohne eine Antwort zu erhalten.
Aber etwas bewegte sich, sie hörte es, und während sie hinstarrte, kam es ins rote Licht getaumelt.
Es war kein Mensch, auch wenn es einmal einer gewesen war. Jetzt war das Gesicht verkohlt und bestand wie der Rest des Körpers fast nur aus Knochen, obwohl hier und dort Stücke von verbranntem Fleisch herabhingen. Das Wesen trug nur ein paar schwarze Fetzen am Leib. Es starrte sie an – oder hätte es zumindest getan, wenn es Augen gehabt hätte. Stattdessen hielt es seine dunklen Augenhöhlen auf sie gerichtet. Sein Kiefer knackte und klappte auf. Eine schwarze Flüssigkeit quoll aus dem Mund.
Gelähmt vor Entsetzen beobachtete Heidi es. Sie konnte nicht atmen, hatte das Gefühl, die Luft wäre ihr aus den Lungen gepresst worden.
Dann zischte die Kreatur und stürzte auf sie zu, und sie kam so weit zu sich, dass sie zurücktaumelte. Doch hinter ihr befand sich eine weitere Gestalt, ebenso verkohlt, aber mit mehr Fleisch am Leib, offenbar eine Frau, deren Körper noch warm war und rauchte, als sie mit ihren Krallenfingern nach Heidi schlug und dabei ein ersticktes Röcheln von sich gab. Auch aus ihrem Mund floss eine schwarze Flüssigkeit. Heidi versuchte zu entkommen, während die beiden Kreaturen mit ruckartigen Bewegungen, fast wie Marionetten oder Schlafwandler, auf sie losgingen. Sie zerfetzten ihre Kleider, kratzten und zerrten an ihr, rissen mit ihren verkohlten blutigen Händen ihr Fleisch auf. Heidi schrie vor Schmerz. Die spitzen Nägel einer Hand drangen tief in ihre Stirn und rissen ihr einen Teil der Kopfhaut ab.
Sie schrie erneut, stieß die Gestalten heftig zurück und konnte sich befreien. Sie rannte auf das Licht hinter der geöffneten Tür zu, doch etwas traf sie hart an der Seite und brachte sie aus dem Gleichgewicht. Sie verfehlte die Tür, konnte nicht mehr abbremsen, prallte hart gegen die Wand, und sofort zerrten wieder die Hände an ihr und rissen sie zu Boden, während sie schrie und weinte. Sie spürte, wie sie sie kratzten, sah ihre scheußlichen Körper und die verbrannte Haut, ihr seltsames fleischloses Grinsen, als sie über sie herfielen.
Sie lag dort. Sie wusste nicht, wie lange sie bewusstlos gewesen war, und eigentlich noch nicht einmal, ob sie lebendig oder tot war. Sie war sich nicht sicher, wann sie aufgehört hatten, an ihr zu reißen, ob sie noch da waren und nur darauf lauerten, dass sie sich rührte, um sich erneut auf sie zu stürzen.
Der Boden um sie herum war nass, und sie selbst war auch nass, aber es dauerte eine Weile, bis sie begriff, dass es ihr eigenes Blut war. Als sie sich auf die Seite drehte, loderte ihr ganzer Körper vor Schmerz. Sie zögerte und blieb so liegen, doch in der Wohnung rührte sich nichts, und es gab keine Anzeichen, dass sie noch dort waren. Vielleicht hatten sie gedacht, sie wäre tot, und sich in die Schatten zurückgezogen. Oder sie waren woanders hingegangen, um sich neue Opfer zu suchen.
Ganz vorsichtig zog sie die Gliedmaßen an. Sie spürte einen stechenden Schmerz im Arm, eine Wunde, die wieder aufriss. Sie überlegte aufzustehen, doch sie war sich nicht sicher, ob sie es schaffte, und außerdem wäre sie dann leichter zu entdecken. Nein, sie musste so unauffällig wie möglich bleiben und aus der Wohnung verschwinden, bevor sie bemerkten, dass sie doch nicht tot war.
Licht fiel aus dem Flur durch die Tür vor ihr. Sie streckte einen Arm aus und zog sich ein wenig näher heran. Dann wartete sie. Als nichts geschah, zog sie sich mit der anderen Hand ein Stück weiter, schaffte es, sich auf alle viere zu erheben, und kroch los.
Sie hatte nicht das Gefühl, dass sie es war, die kroch. Durch den Schmerz distanzierte sie sich so stark von ihrem Körper, dass sie über ihm zu schweben schien und von knapp unter der Decke beobachtete, wie eine andere über den Boden robbte. Sie ließ den Körper unter sich weiter zur Tür kriechen, versuchte, den Schmerz zu ignorieren und einfach in Bewegung zu bleiben.
Ihre Finger erreichten die Schwelle und zogen sie halb heraus. Vielleicht überlebe ich es doch , dachte sie. Sie musste sich nur ganz herausziehen, über den Flur zu ihrer Wohnung kriechen und den Notruf wählen, dann ihre Blutungen stillen und
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