Lords of Salem: Roman (German Edition)
tastete sie nach der Lampe auf dem Nachttisch und schaltete sie ein. Sie schob mit den Füßen die Laken nach unten und untersuchte ihre Arme und Beine auf Spuren des Angriffs, aber es war nichts zu sehen. Natürlich nicht , sagte sie sich. Es war nur ein Traum. Trotzdem tastete sie sich weiter nach Kratzern oder Schrammen ab. Sie spürte klaffende Wunden und Abschürfungen auf der Haut, obwohl sie nicht sichtbar waren. Als wären sie nur geistig vorhanden, nicht jedoch körperlich.
Sie schüttelte den Kopf. Was war los mit ihr? Bekam sie jetzt auch noch Albträume? War ihr Leben nicht so schon schwer genug? Was war aus den alten Zeiten geworden, als sie sich noch um nichts hatte sorgen müssen, damals, bevor das Leben kompliziert wurde?
Ihre Gedanken schweiften ein wenig ab, während ihr Blick zum Bildschirm zurückkehrte.
» Was sollten Ihre Opfer denken, als sie starben?«, fragte der Interviewer hinter der Kamera.
» Nichts«, sagte der vermummte Killer. » Ich wollte nur, dass sie mein Gesicht sehen. Sie sollten begreifen, dass ich der Tod bin.«
Scheiße , dachte sie. Kein Wunder, dass ich Albträume habe.
Und dann sah sie es plötzlich: zwei Augen, die in der Dunkelheit unter ihr glühten. Sie hätte fast aufgeschrien, ehe sie bemerkte, dass es nur Steve war.
» Du hast mich erschreckt, Kumpel.« Ihr Herz hatte wieder wild zu klopfen begonnen. » Gerade, als ich mich ein bisschen beruhigt hatte. Leg dich hin.« Doch ehe er gehorchen konnte, streckte sie die Hand aus, um ihn zu streicheln. Er drückte sich gegen das Bett und legte den Kopf schräg, damit sie ihn an der richtigen Stelle kratzte, wie er es immer tat. Dadurch, dass er bei ihr war, fühlte sie sich ein wenig besser. Und er war ruhig, das war ein gutes Zeichen.
Sie schaltete den Fernseher aus und legte sich wieder hin, während sie mit einer Hand gedankenverloren über den Rücken ihres Hundes strich.
Wie sollte sie diesen Traum deuten? Es fühlte sich immer noch an, als trüge sie Spuren davon am Körper, Schnitte und Kratzer und sogar tiefe Wunden. Doch dort war nichts. Sie atmete tief durch, um sich zu beruhigen. Und was war in ihrem Traum in Apartment Nummer fünf geschehen? Was war darin gewesen? Was genau hatte sie angegriffen? Etwas nicht Menschliches, auch wenn es einmal menschlich gewesen war. Oder nein, da waren zwei von ihnen; vielleicht waren es unterschiedliche Wesen. Untote oder Ghule oder weiß Gott was.
Aber was waren das für Gedanken? Die Wesen waren nicht echt. Es war ein Traum. Es gab keinen Grund, über sie nachzudenken, als würden sie wirklich existieren. Sie konnte sich vorstellen, wie das alles zustande gekommen war. Diese beiden Black-Metal-Typen am Abend im Studio waren nicht gerade hilfreich gewesen. Sie hatten einen tieferen Eindruck bei ihr hinterlassen, als sie zunächst gedacht hatte. Und dann noch ihr Video, die » Dunkelheit und Stille der Hölle« oder wie immer sie es genannt hatten; das war verrücktes Zeug, wahrscheinlich gerammelt voll mit schwachsinnigen unterschwelligen Botschaften, die nur darauf warteten, dass sie einschlief, um an die Oberfläche kommen zu können. Das musste die Erklärung sein. Sie hatte noch nie zuvor einen solchen Traum gehabt. Und sie hoffte, dass es auch nie wieder geschehen würde.
Ihr war ein wenig kalt. Sie bemerkte, dass das Schlafzimmerfenster offen stand und eine leichte Brise die Vorhänge aufbauschte. Hatte sie es offen gelassen? Sie konnte sich nicht daran erinnern, und es war wohl kaum die richtige Jahreszeit dazu, aber wer weiß. Sie hatte getrunken. Vielleicht war ihr heiß gewesen, als sie zu Bett ging. Sie seufzte und stand auf, um es zu schließen.
Als sie es zuschieben wollte, fiel ihr auf der anderen Straßenseite ein dicker Mann auf, der etwas zur Seite gedreht an seinem Fenster stand und an irgendetwas knapp außerhalb ihres Blickfelds herumfummelte. Er war nackt, doch sein Bauch hing so tief herab, dass sein Geschlechtsteil zwischen den massigen Oberschenkeln verborgen war. Irgendwie wirkte das noch obszöner auf sie, als wenn sein Schwanz zu sehen gewesen wäre. Etwas stimmte nicht mit ihm. Er hatte sich eine durchsichtige Plastikmaske vor das Gesicht geschnallt. Ihr Blick folgte dem Schlauch, der daran hing, bis zu einem Sauerstofftank. Bäh , dachte sie. Und dann drehte er sich zum Fenster und sah sie direkt an. Überrascht erwiderte sie seinen Blick. Einen Augenblick lang starrten sie sich gegenseitig an, dann hob er eine merkwürdig rote Hand, die
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