Lords of Salem: Roman (German Edition)
aussah, als wäre sie mit Blut beschmiert, und schlug die eisernen Fensterläden zu.
Entschuldigung , dachte sie, anschauen tut ja nicht weh, oder? Manchmal vielleicht doch, wenn man so jemanden ansehen musste.
Langsam fühlte sie sich ein wenig besser. Sie ging zum Bett zurück, kroch hinein und legte sich auf den Bauch. Nachdem sie das Licht ausgeschaltet hatte, schloss sie die Augen und versuchte, wieder einzuschlafen.
Als das Licht eingeschaltet gewesen und sie durch das Zimmer gegangen war und sich umgesehen hatte, war es nicht dort gewesen. Oder es war dort, aber sie hatte es aus irgendeinem Grund nicht sehen können. Hatte irgendwie hindurchgeblickt. Hätte jemand anderes, der in den Raum gekommen wäre, es sehen können, oder war es, wenn das Licht brannte, einfach nicht da?
Über ihr manifestierte sich langsam etwas in der Dunkelheit. Zuerst war es nicht mehr als eine Unregelmäßigkeit in der Luft, dann wurde es zu einem verschwommenen Fleck und nahm schließlich nach und nach Gestalt an. Eine Linie tieferer Dunkelheit, die von der Decke hinabführte, wurde allmählich zu einer eingefetteten eisernen Kette. An ihrem Ende hing etwas, das zunächst massiv wirkte, sich dann jedoch in Stangen und Zwischenräume auflöste und zu einem schmiedeeisernen Käfig wurde. Er war leer, doch die Stangen waren mit Blut beschmiert, Federn klebten daran, und die Tür stand offen. Der Käfig schwang langsam und quietschend hin und her. Doch statt allmählich zur Ruhe zu kommen, bewegte er sich gleichmäßig immer weiter. Er schien von einer nicht sichtbaren Hand angestoßen zu werden, die ein ebenfalls unsichtbares Wesen in dem Käfig besänftigen wollte.
Darunter, sich dessen nicht bewusst, stöhnte Heidi, wälzte sich in ihrem Bett und versuchte, Schlaf zu finden.
22
Dienstag
V on außen sah das Gebäude wie ein Einfamilienhaus aus, nichts deutete darauf hin, dass es in einzelne Wohnungen aufgeteilt war. Es war in dem typischen Indigoblau der Kolonialzeit gestrichen, eine der Farben, die die Salem Historical Society empfahl. Anders als bei vielen Mietshäusern war der winzige Garten gepflegt und ordentlich, kein Blatt lag herum. Der kniehohe Zaun, der den Garten umgab, bestand aus schmiedeeisernen Stangen mit Metallspitzen, die höchstens einen kleinen Hund zurückgehalten hätten. Auch die Veranda war gründlich gefegt, und der Gehweg war geschrubbt worden, bis der Zement fast strahlte.
Erst wenn man das Haus betrat und die Türen mit den verschiedenen Namensschildern sah, zeigte sich, dass es kein Einfamilienhaus war. Gleich hinter der Haustür befanden sich eine Tür mit dem Namen Savage darauf und ein Tisch mit drei separaten Stapeln Post. Eine Treppe wand sich zum ersten Stock hinauf, wo es eine weitere Wohnungstür mit einem anderen Namen daran gab. Von dort aus führte eine engere Treppe noch höher hinauf, zu einer niedrigeren und schmaleren Tür, hinter der sich ein ausgebauter Dachboden befand.
Hinter dieser Tür schritt ein Mann mit zurückgestrichenem weißem Haar durch sein Wohnzimmer. Er war alt, um die siebzig, aber schlank und rüstig. Sein einfacher schwarzer Anzug war ebenfalls alt und in gutem Zustand. Der Mann blieb vor einem Ganzkörperspiegel neben der Tür stehen und band sich die Krawatte. Er betrachtete sich mit einem verdrießlichen Blick.
» Was zum Teufel ist heute mit meinen Haaren los?«, fragte er. Er wartete auf eine Antwort, doch als keine kam, fuhr er fort. » Soll ich mich rasieren?« Da noch immer keine Erwiderung ertönte, wandte er sich halb vom Spiegel ab. » Alice?«
Alice Matthias, eine silberhaarige Frau mit ebenmäßigen Gesichtszügen, trat näher und zog sanft seine Hände von der Krawatte. » Du machst es nur noch schlimmer, Schatz«, sagte sie. Seine Hände griffen wieder nach dem Knoten. » Francis, lass mich das erledigen.« Sie löste den Knoten, glättete die Krawatte und band sie erneut. Francis zappelte ein wenig herum, ließ sie jedoch gewähren.
» So, Francis«, sagte sie. » Das sieht gut aus, oder?« Sie tätschelte seine Brust.
» Was ist mit den Haaren?«, fragte er.
Alice warf ihm einen tadelnden Blick zu. » Du weißt schon, dass du im Radio bist?«, sagte sie. » Niemand wird sehen, wie du aussiehst.«
» Ja, ich weiß«, sagte Francis. » Ich will nur …« Er zögerte. » Ich weiß nicht, was ich will«, gab er zu.
Alice klopfte ihm erneut auf die Brust. » Sei nicht so nervös. Du schaffst das schon.«
Ich will es aber nicht nur irgendwie
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