Lords of Salem: Roman (German Edition)
sagte Heidi. » Es ist schon spät, vielleicht ein anderes Mal. Ich muss …«
» Heidi, gib ihr deine Hand«, beharrte Lacy. » Komm schon, das wird lustig.« Als Heidi noch immer zögerte, beugte Megan sich vor und nahm sie.
» Hm, okay«, meinte Heidi.
» Die Hand und das Gehirn sind eins«, sagte Megan. » Die Hand wird von über dreihundert Muskeln, Sehnen, Nerven, Knochen und Adern durchzogen. Ein Viertel des Motorkortexes dient der Hand. Wusstest du das, Schätzchen?«
Was, wird mir jetzt ein wissenschaftlicher Vortrag von einer Handleserin geboten? » Nein«, sagte Heidi. » Ehrlich gesagt wusste ich das nicht.«
Sie betrachtete ihre Hand, die in Megans knochigen alten Händen lag. Megan drehte ihre Handfläche nach oben und spreizte die Finger. Mit einer Hand hielt sie Heidis Hand fest. Mit den Fingern der anderen strich sie sanft über die Linien in der Handfläche, vor und zurück, vor und zurück. Es fühlte sich seltsam an, beinah erotisch, und erinnerte sie daran, wie Lacy ihre Hand so lange gehalten hatte, als sie sich kennengelernt hatten. Die leichte Berührung kitzelte auf der Haut und schien sie zum Leben zu erwecken. Alle Frauen beugten sich nun vor und starrten auf Heidis Handfläche.
» Die Linien werden auf einer subatomaren und zellularen Ebene gebildet«, sagte Megan. » Das sind die Linien deines Lebens.«
» Ich dachte, sie kämen von den Sorgen«, scherzte Heidi.
Sonny neben ihr zeigte auf ihre Stirn. » Nein, das schlägt sich da oben nieder«, sagte sie lächelnd.
» Bitte, Schwester«, sagte Megan, und Sonny schwieg. Megans Finger fuhren weiter über Heidis Handfläche, vor und zurück, vor und zurück. » Nein, nein, diese werden im Mutterleib gebildet und kontrollieren die Gedanken. Gib mir deine rechte Hand. Die rechte Hand spiegelt die Zukunft wider.«
Heidi trank das Weinglas aus, das sie in der anderen Hand hielt, und stellte es auf einem klapprigen alten Holztischchen ab. Sie streckte die rechte Hand aus. Megan ließ die linke los und ergriff sie. Sie strich mit den Fingern mitten über die Handfläche.
» Ist das die Lebenslinie?«, fragte Heidi.
» Nein«, sagte Megan. » Das ist die Schicksalslinie. Es ist die einzige Linie, die für mich von Bedeutung ist. Die Länge deines Lebens ist belanglos. Es kommt darauf an, was du mit deiner Zeit hier anfängst.«
Sie sah Lacy und Megan einen seltsamen Blick austauschen. Was ging hier vor? Wollten diese Frauen sie irgendwie an der Nase herumführen?
» Ah, okay, dann verrate mir doch, was meine Berufung ist«, sagte sie. Und dann machte sie einen Witz daraus. » Aber sag mir bitte nicht, dass ich einem großen dunklen Fremden begegnen werde. Davon habe ich in letzter Zeit mehr als genug gehabt.«
Doch die Schwestern lachten nicht. » Da steht dein Schicksal geschrieben, Adelheid«, sagte Sonny. » Nicht deine Berufung.«
Woher kennt sie meinen vollständigen Namen? , wunderte sich Heidi. » Ist das ein Unterschied?«, fragte sie.
» Ja«, sagte Lacy ernst. » Ein entscheidender Unterschied.«
Heidi war versucht, ihre Hand wegzuziehen, doch sie spürte, wie Megan das Handgelenk fester umklammerte. » Berufung klingt, als hättest du Einfluss auf das Ergebnis, aber Schicksal … ah, das Schicksal lässt dir keine Wahl. Es ist vorbestimmt von äußeren Kräften, die stärker sind als du.«
Nein , dachte Heidi. Was zum Teufel ging in den letzten Tagen vor? Sie konnte nicht einmal in ihre eigene Wohnung gehen, ohne dass jemand ihr einen höllischen Schrecken einjagen wollte. Es fühlte sich an, als hätte sich die ganze Welt gegen sie verschworen. » Ach, ich glaube, ich will das nicht«, sagte sie. » Ich habe es mir anders überlegt. Ich möchte es nicht wissen. Mein Schicksal soll ein Geheimnis bleiben. Für mich zumindest.«
Sie wollte die Hand wegziehen, doch Megan hielt sie fest. Verrückte alte Schlampe , dachte Heidi. Megan starrte sie an, versuchte, ihr tief in die Augen zu blicken. Sie wandte sich ab und sah, dass Sonny sie ebenfalls anstarrte. Und, von der anderen Seite, auch Lacy.
» Du musst mit deinem unbewussten Verlangen Frieden schließen«, sagte Megan mit tiefer schleppender Stimme.
Sie zog erneut an ihrer Hand, aber Megan ließ nicht los. Sie hatte das Gefühl, in der Falle zu sitzen. Wenn sie hier nicht bald herauskäme, würde sie zu schreien anfangen. Oder zu heulen.
Wieder zog sie an ihrer Hand. » Welches Verlangen?«, fragte sie in der Hoffnung, es möglichst schnell hinter sich zu
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