Lords of Salem: Roman (German Edition)
sah sich eine Weile den Film an und nippte an ihrem Wein, doch dann endete die Tanzeinlage, und der Ton war zu leise gestellt, als dass sie dem Dialog hätte folgen können. Es war zu anstrengend. Sie nahm einen Waschlappen, warf ihn neben ihrem Bauch ins Wasser und sah zu, wie er sich vollsaugte und versank. Als er sich im Wasser aufgewärmt hatte, wrang sie ihn aus und legte ihn sich über das Gesicht. Ah, das tat gut. Endlich konnte sie sich entspannen.
Auf der anderen Seite des Raums veränderte sich etwas. Heidi hatte noch immer den Waschlappen auf dem Gesicht und bemerkte nichts. Zuerst wandelte sich nur das Licht, eine seltsame Verdichtung der Dunkelheit irgendwo innerhalb des Türrahmens. Dann fühlte sich das Bad an, als wäre es vom Rest der Welt abgeschnitten; die Geräusche der Außenwelt – der Wind draußen, das Knarren des Gebälks, das Lachen der Vermieterin und ihrer Schwestern unten – waren einfach verschwunden. Heidi bekam nichts davon mit. Steve war nun wach, kratzte in der Küche an der Wohnungstür und winselte, doch Heidi konnte ihn nicht hören. Sie hörte, wie Fred und Ginger miteinander plauderten, um die Zeit bis zur nächsten Tanzeinlage zu überbrücken. Doch wenn sie den Waschlappen vom Gesicht genommen hätte, hätte sie gesehen, dass das Bild auf der Mattscheibe sich verändert hatte.
Statt der beiden Tänzer zeigte der Fernseher ein merkwürdiges hüttenähnliches Bauwerk inmitten eines Walds. Um das fauchende Lagerfeuer davor tanzten Frauen im Kreis und zogen Stück für Stück ihre Kleider aus, bis sie allesamt nackt waren. Auf ihre Körper waren mit Farbe oder Blut Zeichen gemalt, und sie sprangen herum und fielen sich schließlich in die Arme, rieben sich aneinander, wanden sich im Dreck und versuchten, mit der Erde oder miteinander zu kopulieren. Eine von ihnen geriet zu nah ans Feuer, sodass ihr Haar in Flammen aufging, und sie rannte brüllend und mit Schaum vor dem Mund wie wahnsinnig um die Hütte, bis auch diese Feuer fing. Sie fiel zu Boden und stand wieder auf – ihr Haar war nun verbrannt, die Flammen waren erloschen –, und ihre Kopfhaut warf qualmend Blasen, während ihr Gesicht sich zu einem irren ekstatischen Lächeln verzog. Die Hütte hatte sich bald in ein brüllendes Flammenmeer verwandelt, und eine Gestalt, deren Körper die Form eines Menschen hatte, jedoch größer war und zur Gänze aus Feuer zu bestehen schien, kam herausgetaumelt und blieb gleichmäßig brennend an der Tür stehen. Die Frauen sanken vor der brennenden Gestalt auf die Knie und schrien etwas, das man nicht verstehen konnte, weil Fred und Gingers Stimmen weiter ruhig miteinander sprachen.
Und dann verfestigte sich die Dunkelheit im Türrahmen des Badezimmers und wurde allmählich klarer erkennbar. Zuerst war es eine Art schwarzer Rauch, der um sich selbst kreiste, dann wurde es heller. Es verlangsamte und verdichtete sich und wurde zu Fleisch, dem Fleisch einer Frau. Es wurde zu Margaret Morgan.
Sie war völlig nackt. Ihre Haut war unnatürlich blass und verkrustet, als würde sie verrotten und abblättern. Sie stand ganz ruhig da, in steifer und widernatürlicher Haltung, wie besessen. Sie ließ den Blick langsam durch den Raum schweifen, ehe er auf Heidi in der Badewanne verweilte.
Ihre Lippen öffneten sich und entblößten die Zähne. Sie hob die Arme, die Haut an den Gelenken brach auf, und eine weiße Flüssigkeit sickerte heraus, eine Art Eiter oder Wundsekret. Die Lippen bewegten sich, als rezitierte sie etwas, doch es kam kein Ton heraus. Sie blieb leicht schwankend dort stehen und ließ Heidi nicht aus den Augen.
Plötzlich gab es hinter ihr eine Bewegung, und eine winzige Hand schlängelte sich an ihrem Bein zum Bauch hinauf. Dann tauchte der Körper einer kleinen, menschenähnlichen Kreatur mit widerwärtig geschwollenem Kopf und riesigen hervortretenden roten Augen auf. Das Wesen ähnelte einem missgestalteten Fötus, war jedoch mit fast neunzig Zentimetern viel zu groß für einen solchen. Und obwohl es sich an Margaret Morgans Bein klammerte, bewegte es sich mit einer Bewusstheit und Intelligenz, die Margaret Morgans Körper zu fehlen schienen. Es blickte ebenfalls zu Heidi in der Badewanne, beobachtete sie aufmerksam und leckte sich die Lippen.
Das Wesen stieß Morgan nach vorn, und sie stakste ruckartig in den Raum. Langsam und leise näherte sie sich der Badewanne. Geräuschlos hob sie einen Fuß und setzte ihn ins Wasser. Heidi unter ihrem Waschlappen hörte und
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