Lords of Salem: Roman (German Edition)
Gespensterkostümen standen reglos da, beobachteten sie und warteten ab.
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E r hatte am Straßenrand gewartet und ein paarmal gehupt, aber es geschah nichts, außer dass die Schlampe von Vermieterin herauskam und ihm einen bösen Blick zuwarf. Oder vielleicht wollte sie ihn nur unter die Lupe nehmen. Verdammt, er war gut angezogen, wie immer, und er war sich bewusst, dass auch alte Tussis auf Typen in scharfen Klamotten standen. Sie konnte ihn ansehen, aber nicht anfassen – Herman wusste, dass die Aufseherin das nicht dulden würde.
Er saß also eine Weile im Auto, dann stieg er aus, ging auf die Veranda und drückte ungefähr zehnmal auf Heidis Klingel, aber sie öffnete nicht, und es schien sich nichts zu rühren. Er zog eine Zigarre hervor und drehte sie zwischen den Fingern, weil er glaubte, sie würde herauskommen, sobald er zu rauchen anfing. Aber selbst nachdem er das Ende abgeknipst und zu paffen begonnen hatte, gab es keine Spur von ihr. Er rauchte die Zigarre zur Hälfte auf. Als ein anderer Hausbewohner herauskam, ließ er sie in fragilem Gleichgewicht auf dem Verandageländer liegen, griff nach der Tür, ehe sie zufallen konnte, und stapfte durch den Flur und die Treppe zu Heidis Wohnung hinauf. Klopf, klopf, klopf . Niemand öffnete. Und auch Steve winselte oder bellte nicht, was darauf schließen ließ, dass sie wahrscheinlich nur mit ihrem Hund unterwegs war und vergessen hatte, auf die Uhr zu sehen.
Trotzdem drehte er probehalber den Türknauf. Es war nicht abgeschlossen, und er konnte nicht widerstehen hineinzugehen. Nur um nachzusehen , sagte er sich. Nur um mich zu vergewissern.
Aber was er sah, diente nicht zu seiner Beruhigung. Ein leeres Fläschchen verschreibungspflichtiger Tabletten lag im Waschbecken des Badezimmers. Nicht einmal auf ihren Namen, sondern auf jemanden namens Griffin Lawe ausgestellt. Er las die Beschriftung – Naproxen-Natrium, 500 mg. Das hatte er noch nie gehört. Es könnte ein Schmerzmittel sein oder ein Schlafmittel, aber auch ein Medikament gegen Akne oder etwas anderes relativ Harmloses. Keine vorschnellen Schlüsse , sagte er sich. Du solltest nicht mal hier drin sein. Im Wohnzimmer lagen unverpackte Schallplatten auf dem Boden verteilt, einige davon zerbrochen. Die Chaiselongue war auf die Seite gekippt, und Schubladen waren aus der Kommode gezogen und über dem Bett ausgekippt worden. Zugegebenermaßen bei Weitem nicht so schlimm wie damals, als er sie hatte retten müssen, aber irgendetwas stimmte nicht. Irgendwie war sie von der Rolle. War sie wieder drauf? Außer dem leeren Tablettenfläschchen gab es keine Hinweise darauf, und auch das war kein richtiger Beweis. Trotzdem kam er nicht umhin, sich Sorgen zu machen.
Er ging wieder hinaus und zog die Tür hinter sich zu. Auf dem Weg zur Treppe fiel ihm auf, dass die Tür der Wohnung am anderen Ende des Flurs offenstand. Wahrscheinlich hatte derjenige, der dort wohnte, sie nicht richtig zugezogen, und als er die Tür zu Heidis Wohnung geöffnet hatte, war die andere durch den Luftzug ebenfalls aufgegangen. Kurz war er versucht hinzugehen und die Tür zuzuziehen, um jemandem einen Gefallen zu tun, aber dann dachte er: nicht mein beschissenes Problem . Nein, er musste sich von der Vorstellung lösen, dass er auf die Erde gekommen war, um auf andere Leute aufzupassen, vor allem, wenn es stimmte, dass Heidi wieder spritzte. Das Letzte, was er wollte, war, wieder in diesen Scheiß verwickelt zu werden, verdammt nochmal.
Als er wieder draußen war, musste er die Zigarre neu anzünden. Äußerlich ruhig paffte er daran, während in seinem Inneren die Ungeduld wuchs. Schließlich trat er den Stummel aus und wartete noch ein paar Minuten, bis er befürchtete, selbst zu spät zu kommen. Da sie noch immer nicht aufgetaucht war, stieg er kopfschüttelnd ins Auto.
Er seufzte. Vielleicht war sie schon beim Sender, und er würde sie dort antreffen. Vielleicht hatte er sich umsonst Sorgen gemacht.
Nein, dachte er, während er wendete und losfuhr. Sie hatte Steve dabei. Sie würde zuerst nach Hause gehen müssen.
Trotzdem hatte er sich, bis er beim Sender ankam, erfolgreich eingeredet, dass sie Steve mit zur Arbeit bringen und dort auf ihn warten würde. Aber im Pausenraum war nur Whitey.
» Hi«, sagte Herman.
» Hi«, entgegnete Whitey. Er hielt eine fast leere Kaffeetasse in der Hand. Whitey musste also schon eine Weile da sein. Es war offenbar später, als Herman gedacht hatte.
» Wo warst du?«, fragte Whitey. »
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