Lords of Salem: Roman (German Edition)
Du kommst nie zu spät.«
Statt zu antworten, drehte sich Herman zum Kühlschrank. Er öffnete die Tür, blickte hinein und schob ein paar Sachen umher. Ursprünglich hatte er nur Whiteys Frage ausweichen wollen, aber als er bemerkte, was fehlte, wurde er allmählich richtig sauer. Doch er war sich nicht sicher, ob es echte Wut oder nur eine blödsinnige Übertragung wegen Heidis Abwesenheit war.
» Verdammt! Wer zum Teufel klaut meine Slim-Shakes?«
Whitey zuckte die Achseln. » Ich nicht.« Er tätschelte seinen Bauch. » Ich versuche, ein bisschen zuzunehmen . Muss einer von der Nachtschicht gewesen sein. Vielleicht Ambler. Er sieht zurzeit ziemlich fit aus.«
Kopfschüttelnd schloss Herman den Kühlschrank. Er nahm eine Tasse und goss sich Kaffee ein. » Wo ist unser Mädel?«, fragte er.
» Heidi? Die hat sie nicht genommen. Sie ist nicht mal hier.«
» Willst du mich verarschen?« Herman sah auf seine Uhr. Verdammt, in ein paar Minuten mussten sie auf Sendung gehen. » Was für ein Scheiß, Mann. Ich wusste es. Ich habe es neulich nachts an ihren Augen gesehen. Wehe, sie hängt wieder an der Nadel, verdammt. Ich habe meinen Arsch dafür riskiert, damit sie zurück in die Sendung kommt.«
» Bleib locker, Mann«, sagte Whitey. » Alles ist gut.«
» Alles ist gut? Das nennst du gut?«
» Reg dich ab«, sagte Whitey. » Sie kommt bloß zu spät. Keine große Sache.«
» Ich schwöre dir, ich ramme ihr meine Quadratlatschen in den Hintern, wenn ich meinen Arsch für sie hinhalten muss.«
Whitey machte sich nicht die Mühe zu antworten. Nach einer Weile setzte sich Herman an den Tisch und trank seinen Kaffee.
Sie hörten dem Nachrichtensprecher zu, dessen Stimme leise aus einem Studiolautsprecher im Hintergrund ertönte, und warteten ein oder zwei Minuten darauf, dass Heidi auftauchte. Schließlich hörte Herman Schritte auf dem Flur und dachte: Endlich ist sie da. Er begann sich zu entspannen. Doch es war nicht Heidi, die in den Pausenraum trat. Es war Chip.
Er trug eine große Holzkiste und war außer Atem. Mit einem lauten Scheppern stellte er die Kiste zwischen ihnen auf den Tisch.
» So, Jungs«, sagte er. » Alles für euch.«
» Was ist das?«, fragte Herman.
Chip grinste. » Eine Goldgrube.«
Er nahm den Deckel von der Kiste. Darin lagen stapelweise Platten, alle in einfachen schwarzen Hüllen mit dem unheimlichen Zeichen der Lords darauf: ein seltsames missratenes Neandertalergesicht oder was auch immer es darstellen sollte.
» Promos von den Lords«, sagte Chip.
» Wofür?«, fragte Whitey.
Chip wandte sich zu ihm und sah ihn empört an. » Wofür? Arbeitest du wirklich beim Radio? Für die Promotion natürlich. Offenbar kommt dieser Haufen musikalischer Genies in die Stadt, und wir werden sie präsentieren.«
» Wir pushen diesen Scheiß?«, fragte Herman. » Sicher?«
» So sicher wie mein bevorstehender dreifacher Bypass«, sagte Chip. » Mit anderen Worten, die Lords of Salem sind ab jetzt tabu für eure Witzeleien. Keine Scherze mehr über diesen Müll. Ihr spielt die Scheibe in Heavy Rotation und behaltet eure abfälligen Kommentare für euch. Und gebt alle Platten weg, bis auf eine.« Er griff in die Kiste, zog ein Bündel Tickets heraus und wedelte damit in Whiteys Richtung. » Und sorgt dafür, dass die bis Samstag unters Volk gebracht werden.«
Whitey sah ihn verwirrt an. » Was ist am Samstag?«, fragte er.
Chip verdrehte die Augen. » Noch mal, arbeitest du wirklich beim Radio? Was glaubst du wohl? Das Konzert.«
Herman erahnte, dass Whitey gleich fragen würde: welches Konzert? Um Chips drohenden Ausbruch abzuwenden, streckte er die Hand aus und sagte: » Lass mal sehen.« Chip reichte ihm die Eintrittskarten. Herman betrachtete sie und sah noch einmal genauer hin.
» Hm, da ist ein Fehler passiert«, sagte er.
» Was soll das heißen, ein Fehler?«, fragte Chip.
Herman zeigte auf den Veranstaltungsort, der auf dem Ticket stand. » Das Salem Palladium? Wenn ich mich nicht irre, hat in dem Schuppen seit ungefähr neunzehnhundertdreiundachzig keine Veranstaltung mehr stattgefunden. Steht es nicht leer?«
» Letztes Mal, als ich nachgesehen habe, schon«, sagte Whitey.
Chip zuckte die Achseln. » Eigentlich ja, aber was kümmert mich das? Wenn sie in einem rattenverseuchten Dreckloch auftreten wollen, dann viel Vergnügen.«
» Bist du sicher, dass es nicht einfach ein Fehler ist?«, fragte Herman. » Wo hast du die Karten her? Was sagt der Agent dazu?«
» Es
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