Lords of Salem: Roman (German Edition)
Sie führten zu einer Brücke mit schmiedeeiserner Brüstung, die sich über einen Weiher spannte. Die Brücke führte mitten in den Greenlawn Cemetery. Heidi folgte mit Steve den gewundenen Friedhofspfaden und Kieswegen über den ersten von mehreren sanften Hügeln. Die Gräber waren gepflegt, die Steine oft prunkvoll, und es gab viele Familiengräber, bei denen die großen Gedenksteine in der Mitte von kleineren Gräbern umgeben waren.
Das Grab ihres Vaters lag im vorderen Teil des Friedhofs zwischen den neueren Steinen. Normalerweise mied sie es, doch heute zog sie irgendetwas dorthin. Es hatte einen schlichten, aber hohen Grabstein. Der Stein trug auch den Namen ihrer Mutter, obwohl sie noch lebte; es musste nur noch das Todesdatum eingemeißelt werden. Manchmal sprach ihre Mutter davon, dass auf dem Friedhof ein » Bett« auf sie warte. Irgendwie unheimlich, dachte Heidi, aber zugleich auch romantisch. Ihre Eltern waren gut miteinander ausgekommen und hatten sich sehr gemocht, wodurch der Tod ihres Vaters umso tragischer gewesen war.
Und da stand sie nun, breit wie ein Otter, aber wach, und blickte auf das Grab ihres Vaters. Sie hatte so gute Voraussetzungen gehabt: Eltern, die sie liebten, eine gute Schule, liebe Freunde. Warum befand sie sich jetzt in einer solchen Lage? Wann war sie auf Abwege geraten? Wo hatte sie den richtigen Kurs verlassen? Wie konnte sie umkehren, um der Mensch zu sein, der sie sein wollte?
Sie ging weiter in andere Teile des Friedhofs. Wenn man wusste, wo man suchen musste, fand man ältere Gräber, deren Steine zum Teil von der Zeit und den Elementen derart zerfressen waren, dass man die Inschriften nicht mehr entziffern konnte. Dort ragten die Grabsteine oft merkwürdig schräg aus der Erde, weil der Boden im Laufe der Jahre abgesunken war.
Sie durchquerte den Friedhof, verließ ihn an der Südspitze und ging die paar Blocks bis zur Saint Peter’s Church. Sie war an der Längsseite des alten Steingemäuers vorbeigegangen und befand sich neben den riesigen roten Türen am Haupteingang, als Steve stehenblieb, um zu schnüffeln. Ein wenig geistige Erbauung könnte nicht schade, dachte sie, versprach sich jedoch zugleich, sofort abzuhauen, falls die beiden gruseligen Nonnen auftauchen sollten.
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S ie band Steve mit der Leine an ein junges Bäumchen. Er setzte sich mit gespitzten Ohren hin und beobachtete, wie sie davonging. Eine der roten Türen war nur angelehnt, und sie öffnete sie ein Stück, um hineinschlüpfen zu können. Durch den Vorraum ging sie ins Hauptschiff.
Die Kirche sah ganz anders aus als in der Nacht; Staubflocken tanzten im satten bernsteinfarbenen Licht, das durch die Buntglasfenster fiel. Ein vergoldetes oder bronzenes Kreuz mit reicher Verzierung hing über dem Altar. Die Kirche war völlig leer. Heidi setzte sich in eine vom Sonnenlicht aufgewärmte Bank, um die Atmosphäre auf sich wirken zu lassen und sich zu entspannen. Sollte sie versuchen zu beten? Nein, das kam ihr nicht richtig vor – sie konnte herkommen und sich von einem solchen Ort trösten lassen, aber sie konnte sich wohl kaum als Gläubige betrachten. Sie war seit Jahren so gut wie nie in der Kirche gewesen. Trotzdem schloss sie die Augen und versuchte, alle schlechten Gedanken aus ihrem Geist zu verbannen.
Sie schlug die Augen wieder auf, weil sie irgendwo eine Tür knarren hörte. Sie sah auf und bemerkte, dass rechts neben dem Altar eine kleine Tür offenstand. Ein Priester trat heraus. Als er langsam den Mittelgang entlangging, hallten seine Schritte vom Steinboden wider.
Er hielt die Hände hinter dem Rücken, hatte die Stirn leicht gerunzelt und schien in Gedanken versunken. Offenbar hatte er sie noch nicht bemerkt.
Als er schon fast an ihr vorbei war, grüßte Heidi ihn und lächelte ihm zu. Der Priester blieb erschrocken stehen. Er betrachtete sie blinzelnd und schien Mühe zu haben, sie zu erkennen.
» Warum sind Sie hier?«, fragte er mit tiefer rauer Stimme.
» Warum ich hier bin?« Eine ziemlich gute Frage, wenn dies ihr Empfang sein sollte. » Ich weiß es nicht«, sagte sie und richtete sich ein wenig in der Bank auf. » Ich war mit meinem Hund spazieren und dachte, ich komme einfach rein und setze mich eine Weile hin. Ist das in Ordnung? Oder haben Sie geschlossen?«
» Sie haben Ihren Hund in ein Gotteshaus gebracht?«
» Nein, natürlich nicht«, sagte Heidi. » Er ist draußen angebunden.«
Der Priester nickte knapp. » Nein, wir haben nicht geschlossen. Das Haus
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