Lords of Salem: Roman (German Edition)
gespielter Aufregung in der Stimme. » Jetzt weiß ich, dass es einen Haken geben muss.«
» Warum muss es immer einen Haken geben?«, ächzte Heidi.
» Ich weiß nicht«, sagte Whitey. » Ist einfach so.«
Das würde Chip nicht gefallen, wenn er es hörte, dachte Herman. Es gab keinen Grund, das Publikum zu vergraulen. » Kein Haken«, sagte er. » Ruft einfach an und sichert euch die Tickets oder kommt zum Sender und holt sie euch ab. Wie man es auch dreht und wendet, es ist umsonst, Leute.«
Er gab Whitey ein Zeichen, und dieser setzte die Nadel auf die Schallplatte. Das Stück der Lords wurde abgespielt. Verdammt, es gefiel ihm noch weniger als beim ersten Mal. Er verzog das Gesicht und drehte sich um, um sich Heidi vorzuknöpfen.
37
V irginia Williams steckte mit den Händen tief im Spülwasser und seufzte. Sie war müde, aber das war in letzter Zeit der Normalzustand. Wie war ihr das Leben durch die Finger geschlüpft? Das Letzte, woran sie sich erinnerte, war, dass sie ungefähr zwanzig gewesen war, und dann hatte sie einmal geblinzelt und war plötzlich hier, mit einundfünfzig. Nicht fünfzig, sondern beschissene einundfünfzig. Und immer noch mit Keith zusammen, verdammt. Und dann musste sie sich auch noch um diesen Scheiß kümmern. Hatte Keith in seinem ganzen Leben einen einzigen Teller abgespült? Wenn man ihm zuhörte, dann war er derjenige, der die ganze Arbeit machte und den Laden am Laufen hielt. Aber warum stand die Veranda dann kurz vor dem Verrotten? Mittlerweile war es bereits gefährlich, dort aus der Tür zu gehen. Und warum kippte er sich jedes Mal, wenn sie sich zu ihm umdrehte, ein weiteres Bier rein?
Gut, im Moment kippte sich Keith gerade kein Bier rein, aber er wühlte im Kühlschrank herum und suchte eins. Er hatte seine besten Jahre schon lange hinter sich, mit fast sechzig, und sie war erst einundfünfzig. Er hatte kaum noch ein Haar auf dem Kopf und bestand trotzdem darauf, im Unterhemd herumzulaufen. Nur auf seiner Brust waren noch Haare, schmutzig weiße Borsten, die man besser bedeckt lassen sollte. Aber konnte sie ihn dazu bringen, zu Hause ein hübsches Hemd anzuziehen? Verdammt, nein. Sie seufzte. Man konnte froh sein, wenn er ein Tanktop anzog. Wenn sie nur einen Zentimeter mehr seines teigigen weißen Fleischs sehen müsste, wüsste sie nicht, was sie täte.
Er tauchte aus dem Kühlschrank auf und hielt natürlich ein Bier in der Hand. Er drehte den Deckel ab und schnippte ihn zum Mülleimer, von wo er, wie meistens, abprallte und über das Linoleum schlitterte. Würde er ihn aufheben? Auf keinen Fall. Sie würde das ja später tun, wenn sie mit dem ganzen Abwasch fertig war.
Auf dem Fensterbrett spielte das Radio. Das Big-H-Team. Es war das Beste, was Salem zu bieten hatte, was zugegebenermaßen nicht viel zu bedeuten hatte.
» Ich glaube, es ist so weit«, sagte einer von ihnen. Whitey hieß er.
» Oh, es ist so weit, Baby«, sagte der andere, Herman. » Applaus für die Lords of Salem.«
Und dann begann die Musik. Es war abgefahrenes Zeug, klar, kaum richtige Musik, jedenfalls nicht wie die Sachen, mit denen sie aufgewachsen war: REO Speedwagon, Donna Summer, Earth, Wind & Fire. Aber es hatte etwas an sich, etwas, das sie mitnahm, das sie in die Musik hineinzog.
Keith sagte irgendwas zu ihr und zeigte dabei mit dem Finger auf sie, während er neben der Spüle hockte, ihr zusah und Bier trank. Konnte er sie nicht einfach in Ruhe lassen? Durfte sie nicht einmal in Frieden den Abwasch machen und Radio hören? War das wirklich zu viel verlangt?
Das meiste hatte sie verpasst, doch sie schnappte das Wort Tochter auf und nahm an, dass er über die Geburtstagsparty seiner Enkelin sprach. Er moserte deswegen schon seit Tagen.
» Warum sollte ich?«, sagte er. » Ich kann genauso gut zu Hause bleiben.«
» Also, ich habe auch keine Lust«, sagte Virginia schroff. » Aber weißt du was? Du kannst mit dem Gejammer aufhören, weil wir hingehen werden.«
Es prallte einfach an Keith ab. Wie immer. Er war der Typ Mann, der Streit für die normale Form der Unterhaltung hielt.
» Es ist so bescheuert«, sagte er. » Die beschissene Göre ist ein Jahr alt. Sie weiß noch nicht mal, dass es ihr dämlicher Geburtstag ist.«
» Hey«, sagte sie. » Es ist deine Familie, nicht meine.«
Er sah sie empört an. » Glaub mir, das weiß ich selbst«, sagte er und ging aus dem Zimmer.
Und dann war sie zum Glück allein. Ausnahmsweise. Nur sie und die Musik. Das Lied hatte etwas an
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