Lords und Ladies
um.
Niemand stand hinter ihr.
»Weiter unten«, fügte die Stimme hinzu.
Nanny senkte den Kopf und lächelte.
»Na so was«, sagte sie.
»Ich bin’s, Casanunda«, sagte Casanunda, der noch kleiner wirkte, weil er eine gewaltige gepuderte Perücke * trug. »Erinnerst du dich? Wir haben in Gennua eine ganze Nacht getanzt.«
»Nein, haben wir nicht.«
»Nun, hätte ja sein können.«
»Erstaunlich, daß wir uns ausgerechnet hier wiedersehen«, sagte Nanny taktvoll. Sie erinnerte sich an eine Besonderheit des Zwergs: Je stärker man auf ihn einschlug, desto heftiger prallte er zurück.
»Unsere Sterne stehen günstig«, sagte Casanunda. »Wir sind füreinander bestimmt. Ich möchte deinen Körper, Frau Ogg.«
»Ich benutze ihn noch.«
Zwar vermutete Nanny Ogg nicht zu Unrecht, daß der zweitbeste Liebhaber der Welt diese Taktik bei allen auch nur halbwegs weiblichen Personen benutzte, aber sie fühlte sich trotzdem geschmeichelt. In ihrer Jugend hatte sie sich über viele Bewunderer freuen können, doch die Jahre hatten ihren Körper so verändert, daß man ihn heute bestenfalls als gemütlich bezeichnen konnte. Dazu kam ein Gesicht, das an eine fröhliche Rosine erinnerte. Nun, selbst die hübschesten Blumen verwelken einmal…
Außerdem fand Nanny den Zwerg irgendwie sympathisch. Die meisten Männer machten bei ihren Annäherungsversuchen große Umwege. Casanundas Direktheit war erfrischend.
»Wir passen nicht zusammen«, erwiderte Nanny Ogg. »Es gibt unlösbare Kompatibilitätsprobleme, die bei der Größe anfangen. Ganz zu schweigen davon, daß ich alt genug bin, um deine Mutter zu sein.«
»Ausgeschlossen. Meine Mutter ist dreihundert und hat einen schöneren Bart als du.«
Ein Hinweis, der sich nicht ohne weiteres von der Hand weisen ließ. Nach den Maßstäben der Zwerge war Nanny kaum älter als ein Teenager.
»Ach, mein Herr!« Nanny gab Casanunda einen leichten Klaps, der es in seinen Ohren klingeln ließ. »Du weißt, wie man einem einfachen Mädchen vom Lande den Kopf verdreht, jawohl!«
Casanunda straffte sich und richtete glücklich die Perücke.
»Ich mag Frauen voller Leidenschaft«, sagte er. »Wie wär’s, wenn wir ein kleines Tête-à-tête veranstalten, wenn das hier vorüber ist?«
Verwirrung erfaßte Nanny Ogg. Normalerweise kam sie mit jeder kosmopolitischen Sprache zurecht, doch jetzt mußte sie passen.
»Einen Augenblick.« Sie stellte ihr Glas auf Casanundas Kopf und bahnte sich einen Weg durch die Menge, bis sie eine vielversprechend aussehende Herzogin bemerkte und sie im Bereich der Turnüre anstieß.
»He, Euer Gnaden, was bedeutet Tähtatäht?«
»Wie bitte?«
»Ein Tähtatäht. Behält man dabei die Kleidung an?«
»Damit ist ein intimes Treffen gemeint, gute Frau.«
»Mehr steckt nicht dahinter? Na gut.«
Nanny Ogg machte mehrmals Gebrauch von ihren Ellenbogen, als sie zum erwartungsvollen Zwerg zurückkehrte.
»Alles klar«, meinte sie.
»Ich dachte, wir könnten vielleicht irgendwo essen, nur du und ich«, sagte Casanunda. »In einer Taverne?«
Noch nie zuvor war Nanny zu einem romantischen Essen eingeladen worden. Ihre Erfahrungen mit Romantik und dergleichen hatten sich eher durch Quantität und nicht so sehr durch Qualität ausgezeichnet.
»Na schön«, antwortete sie knapp.
»Schlag deiner Anstandsdame ein Schnippchen, damit wir um sechs von hier verschwinden können, einverstanden?«
Nanny Ogg sah zu Oma Wetterwachs, die ein wenig abseits stand und sie mißbilligend beobachtete.
»Sie ist nicht meine…«
Dann fiel ihr ein, daß Casanunda Oma nicht wirklich für ihre Anstandsdame halten konnte.
Komplimente und Schmeichelei hatten bei Nannys amourösen Erfahrungen ebenfalls nur eine geringe Rolle gespielt.
»Ja, in Ordnung«, entgegnete sie schlicht.
»Wir sollten uns jetzt besser trennen«, sagte Casanunda. »Ich möchte dich nicht ins Gerede bringen und deinen guten Ruf gefährden.« Er verbeugte sich und küßte Nanny Ogg die Hand.
Ihre Kinnlade klappte nach unten. Nie zuvor hatte ihr jemand die Hand geküßt oder Rücksicht auf ihren Ruf genommen, sie selbst am allerwenigsten.
Als der zweitbeste Liebhaber der Welt fortging und eine Gräfin ansprach, gab Oma Wetterwachs ihren Beobachtungsposten in diskreter Entfernung * auf. »Du hast nicht einmal den Anstand einer Katze, Gytha Ogg«, sagte sie.
»Ich bitte dich, Esme: Du weißt, daß das nicht stimmt.«
»Na schön. Du hast den Anstand einer Katze.«
»Schon besser.«
Nanny Ogg
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