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Loreley

Titel: Loreley Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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fürchtet hatte, von ihm entdeckt zu werden, hatte daran etwas ändern können.
    »Erland?«, fragte sie leise.
    Der Schmied sah von dem unbehauenen Stück Eisen auf, das er gerade im Schein der Glut auf seine Tauglic h keit als Klinge untersuchte. »Hm?«, knurrte er.
    »Du weißt doch, dass Fees Vater zurückgekehrt ist, nicht wahr?«, fragte sie, ohne ihre Arbeit zu unterbr e chen.
    »Hältst du mich für blind? Oder für schwerhörig?«
    Sie lächelte sanft. »Was weißt du über ihn?«
    Erland machte eine wegwerfende Handbewegung, als gäbe es nichts zu sagen, was den vergeudeten Atem wert wäre. »Was soll ich schon über ihn wissen?«
    »Du musst ihn noch aus der Zeit kennen, als er und der Graf junge Männer waren. Noch bevor Fees Mutter starb.«
    Die plötzliche Falte auf seiner Stirn unterstrich sein Unbehagen. »Ich war damals noch ein Lehrjunge, genau wie du. Und wenn ich zu viele Fragen stellte, schlug mir der alte Bodmar mit der Faust auf den Mund.«
    »Das würdest du doch nicht tun, oder?«
    Er stöhnte gedehnt. »Du würdest ja doch keine Ruhe geben.« Er warf das Eisenstück zurück zu einigen and e ren am Boden. Das helle Klirren versetzte Ailis’ Ohren einen Stich.
    »Also«, sagte er ungeduldig, »was willst du wissen?«
    Sie hörte nicht auf, den Dolch des Grafen zu bearbe i ten. Schleifend glitt der Stein über die Schneide, ein ums andere Mal.
    »Was war Eberhart damals für ein Mann?«, fragte sie.
    Erland brummte etwas Unverständliches, dann räu s perte er sich. »So was kann nur eine Frau fragen.«
    »Nun sag schon, wie war er?«
    »Die meisten mochten ihn recht gern. Er hatte ständig irgendwelche Flausen im Kopf. Stand nachts auf dem Turm und zählte die Sterne, verrücktes Zeug eben. I r gendwer wollte ihn mal gesehen haben, als er Honig für die Feen am Waldrand verteilte und zwei Tage lang im Gebüsch darauf wartete, dass irgendein Elfling seine N a se zeigte. Am Ende haben’s wahrscheinlich die Füchse aufgeleckt.«
    »Wie alt war er da?«
    »So alt wie du heute. Er war immer voller Hirng e spinste und seltsamer Ideen. Der alte Graf hat, glaube ich, nie besonders viel von ihm gehalten. Wilhelm war immer sein Lieblingssohn. War ja auch der Ältere.«
    »Und Eberharts Frau? Wie hat er sie kennen gelernt?«
    »So’n Kram hat mich nie gekümmert.«
    »Aber du weißt es doch.«
    »Ich hab vielleicht mal was drüber gehört. Warum willst du das eigentlich alles wissen?«
    »Ich bin nur neugierig.«
    »Kinder sollten nicht neugierig sein.«
    »Ich bin ja auch kein Kind mehr.« Einen Moment lang ließ sie den Dolch sinken. »Nun komm schon, erzähl’s mir.«
    »Er muss ihr während seiner Zeit als Knappe begegnet sein, irgendwo im Norden. Sie sah aus wie deine Freu n din, wenigstens hab ich sie so in Erinnerung – ich war ja selbst noch fast ein Kind, damals. Sie hatte Kraft. Nicht in den Armen, aber hier« – er deutete auf seine Stirn, dann auf sein Herz – »und hier. Sie wusste, was sie wol l te, das kannst du mir glauben! Ich hab gesehen, wie sie um ihr Leben gekämpft hat.«
    Ailis starrte ihn verwundert an. »Du warst dabei, als Fee geboren wurde?«
    Er verdrehte die Augen. »Ich hätte besser mein loses Mundwerk gehalten, scheint mir.«
    Ailis sprang auf und lief zum Eingang der Schmiede. Hastig zog sie die Tür zu und drehte sich wieder zu E r land um. »Keiner hört zu. Du kannst es mir sagen. Was ist damals passiert?«
    »Nichts, was heute noch von Bedeutung wäre.«
    »Erland, bitte! Du musst es mir sagen!«
    »Jeder würde sofort wissen, dass ich es war, der dir davon erzählt hat.«
    »Du kennst Fee – sie hat es verdient, die Wahrheit zu erfahren.«
    »Nicht von mir.«
    »Erland, verdammt! Keiner in dieser Burg spricht je von ihrer Geburt. Warum?«
    Er strich sich durch seinen Bart. »Weil es Dinge gibt, die nach all den Jahren besser vergessen wären. Und d a mit meine ich nicht nur die Geburt des Fräuleins, sondern auch manches andere.«
    »Aber all das zu verschweigen macht es doch nicht ungeschehen.«
    »Ach nein?« Seine gute Laune schwand, und Ailis ha t te den Eindruck, als würden seine Augenbrauen auf einen Schlag noch buschiger und dunkler – das war immer so, wenn er zornig wurde.
    Er kam hastig auf sie zu, blieb aber einen Schritt vor ihr stehen und deutete auf das zerfetzte Gitter, das über ihrem Kopf an der Wand hing. »Es gäbe eine Menge u n geschehen zu machen auf Burg Rheinfels. Eine Menge, Ailis! Aber ich will mich nicht mit Vergangenem abg e

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