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Loretta Chase

Loretta Chase

Titel: Loretta Chase Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eine verführerisch unnahbare Lady
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hinüber, die Spitze zerrissen, ihr Gesicht so schmutzig wie das eines
Londoner Gassenjungen. Das Haar hing ihr in zerzausten Büscheln herab,
dazwischen staken einzelne Heuhalme hervor. Am Oberteil ihres Kleides war ein
Haken abgerissen und hatte ein Loch hinterlassen, die Rüschen hingen schlaff
und recht traurig herab. Mieder, Ärmel und Rock waren mit Schmutz und
Fettflecken besudelt. Die Volants am Rocksaum boten ein Bild des Jammers.
    Unglaublich.
Selbst der jähe Anflug von Scham, der sie überkam, konnte dem geradezu
grotesken Anblick nicht standhalten, den sie bot. Sie war töricht, wohl wahr,
aber ...
    »Herrje«,
flüsterte sie. »Und das hat er geküsst?« Und dann lachte sie und konnte
gar nicht mehr aufhören.
    Sonntagabend, 23. Juni
    Als Colonel Morrell nach einem langen
Abend auf Eastham Hall nach Hause kam, erwartete ihn wie gewohnt sein Kammerdiener
Kenning, Des Colonels treuer Diener war ein kleiner drahtiger Mann von fast
vierzig Jahren, dessen haarloses Haupt so rund und glatt wie eine Kanonenkugel
war. Er war keineswegs schon kahlköpfig, doch da er ein sehr adretter und
ordnungsliebender Mensch war, konnte er vereinzelt noch sprießende Haarbüschel
auf seinem Kopf nicht leiden und rasierte sie kurzerhand ab.
    Mit
derselben Gründlichkeit ging er vor, wenn er von seinen Mitmenschen etwas zu
erfahren wünschte.
    Colonel
Morrell gab ihm seinen Hut und seine Handschuhe.
    »Ich hoffe,
Sie hatten einen vergnüglichen Abend, Sir«, sagte Kenning.
    Eine
vergebliche Hoffnung, wie er wohl wusste, doch sein Herr sagte es nicht. Das
brauchte er auch nicht. Kenning stand in seinen Diensten, seit sie beide junge
Männer waren. Der eine wusste genau, was der andere dachte. »Seine Lordschaft
wird von der Gicht geplagt«, erwiderte der Colonel.
    »Das tut
mir leid«, sagte Kenning. Und weil sie genau wussten, was der andere
dachte, musste er nicht hinzufügen, dass es ihm leidtäte, da die Gicht Seine
Lordschaft längst nicht genug plagte – ihn beispielsweise zu Tode plagte.
    Colonel
Morrell begab sich die Treppe hinauf, und sein Kammerdiener folgte ihm. »Ich
habe gehört, dass Mrs. Badgeley nach dem heutigen Kirchgang über Mr. Carsington
sprach; sie soll das von ihm empfohlene Mittel für ihr Gelenkleiden gepriesen
haben«, sagte Kenning.
    Der Colonel
schwieg und nahm das Gehörte still in sich auf, wie er es meist tat.
    Carsington
schmeichelte sich bei den Nachbarn ein. Eine kluge Taktik. Jeder halbwegs
vernünftige Mensch würde sich bei Mrs. Badgeley einschmeicheln. Sie war
unerträglich genug, wenn sie einen mochte.
    »Es
scheint, als wisse er für alles eine Lösung«, fuhr Kenning fort.
»Einschließlich des kleinen Zwischenfalls in den Stallungen von Lithby
Hall.«
    Über die
Schulter warf Colonel Morrell einen Blick auf seinen Diener. »Du meinst nicht
etwa die Sache mit dem Kutscher?«, fragte er.
    »Doch, Sir.
Mit dem Kutscher, der ein Auge auf Lady Charlottes Zofe Molly geworfen hat,
welche ihm bedauerlicherweise eine Abfuhr erteilte.«
    »Daran kann
ich mich noch gut erinnern«, sagte der Colonel. »Er hat seine verletzten
Gefühle mit einer guten Dosis Gin kuriert. Man hätte ihn entlassen sollen, noch
ehe sie aus London aufgebrochen sind.«
    Man sollte
auch meinen, dass die angelegentliche Mrs. Badgeley Lord Lithby auf das Problem
aufmerksam gemacht hätte. Da sie dies leider versäumt oder Seine Lordschaft ihr
wie üblich nicht zugehört hatte, würde der Colonel sich der Sache annehmen und
Fewkes irgendwie loswerden müssen, ehe der die künftige Lady Eastham bei einem
seiner Trunkenheit geschuldeten Unfall zu Schaden brachte. Schlimm genug, dass
sie das beinahe selbst zuwege gebracht hatte, als sie über Carsingtons
unverantwortlich verwahrloste Straße gefahren war. Das kam davon, wenn Damen
selbst fuhren. Sie sollten gefahren werden. Doch Lithby ließ Frau und Tochter
die Zügel schießen.
    »Fewkes ist
fort, Sir«, sagte Kenning. »Nach dem Unfall mit dem Einspänner ist es am
Freitag zu Streitigkeiten gekommen. Mr. Carsington ist eingeschritten. Fewkes
gefiel das nicht, und er ist wütend von dannen gezogen. Mr. Carsington meinte zu
Lady Charlotte, der Mann solle entlassen werden, und sie hat es Lady Lithby
gesagt, die es Seiner Lordschaft mitteilte.«
    Und jetzt
war Carsington der Held.
    Das sollte
ihm nichts ausmachen. Carsington war ein frivoler Taugenichts. Das hatte
Colonel Morrell sich gleich gedacht, und sein Onkel hatte seine Vermutung
bestätigt. Es war allgemein bekannt,

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