Loretta Chase
überlassen?«
»Wir wissen
nicht, ob es ein Triumph wird«, wandte er ein.
»Es ist mir
gleich, ob wir darin ein altes Paar von Cousin Fredericks Schuhen finden«,
sagte sie. »Hauptsache, wir haben etwas gefunden.«
»Na gut«,
meinte er. »Dann fass da an und halt den Stein gut fest, ich übernehme das Manövrieren.«
Sie folgte
seinen Anweisungen, und ganz langsam, Stück für Stück schob sich der Stein aus
der Wand.
Allerdings
nicht gar so langsam wie erwartet. Das hintere Ende des Steins tauchte so
plötzlich auf, dass sie ihn fast hätte fallen lassen, hätte Lisle nicht
geistesgegenwärtig zugepackt. Vorsichtig zog er den Stein aus der Wand und
stellte ihn auf das Brett über dem Abortloch. Von vorn sah er aus wie die
anderen Mauersteine, doch hinten war er so behauen, dass er gerade mal eine
Handbreit tief war.
Lisle hielt
die Kerze hoch. Olivia reckte sich auf die Zehenspitzen und spähte in das
Mauerloch.
Darin lag
eine eisenbeschlagene Kiste.
Kapitel 18
Zumindest sah es aus wie eine
eisenbeschlagene Kiste.
Olivia war
sprachlos.
Sie hatte
nicht damit gerechnet, tatsächlich eine richtige Schatztruhe zu finden!
Eigentlich
wusste sie gar nicht, was zu finden sie gehofft hatte, aber das hier übertraf alle
Erwartungen.
»Gütiger
Gott«, sagte sie. »Gütiger Gott.«
»Sieht wie
eine Kiste aus«, meinte Lisle.
»Ist das
Schmutz?«, fragte sie. »Oder ist das Holz so verrottet?«
»Sieht aus,
als wäre sie früher mal irgendwo vergraben gewesen«, sagte er und streckte
die Hände in das Mauerloch, um die Kiste herauszuziehen. Er fasste sie bei den Seiten
und zog. Und zog. Nichts rührte sich. Er zog kräftiger. Sie rutschte ein Stückchen
vor.
Er hatte
Kraft, das wusste Olivia. Mühelos konnte er sie hochheben, und dabei war sie größer
als die meisten Frauen und keineswegs ein Hungerhaken. Eben erst hatte er sie
mit einer Leichtigkeit hochgehoben, als wäre sie eine Teekanne.
»Schwerer,
als ich dachte«, sagte er. »Dafür brauche ich Nichols.«
Er ging
hinaus.
Sie blieb
und starrte weiter ungläubig auf die Kiste. Eine Schatztruhe! Sie glaubte ihren
Augen noch immer nicht zu trauen, als Lisle mit Nichols und Werkzeug zurückkam.
Sie trat
beiseite, während die Männer den gröbsten Dreck abkratzten.
So was
machten sie wahrscheinlich auch in Ägypten, dachte sie. Den lieben langen Tag.
Ein Griff
wurde sichtbar. Nichols fasste den Griff und zog, Lisle dirigierte die Kiste
aus der engen Öffnung, und gemeinsam hievten die beiden sie mit sichtlicher
Anstrengung auf den Boden.
»Erstaunlich
schwer«, meinte Lisle. »Aber ein Gutteil des Gewichts mag von den
jahrhundertealten Schmutzschichten kommen. Wir tragen sie am besten nach
nebenan, wo wir mehr Licht haben.«
Nachdem
Nichols auch den zweiten Griff freigelegt hatte, packten die beiden Männer an
und trugen die Kiste hinüber in den Wachraum.
Nichols
fuhr fort, ihren Fund zu säubern. Nach ein paar Minuten hielt er inne. Als er
sich wieder ans Werk machte, ging er langsamer und behutsamer vor.
Es fiel
Olivia schwer, einfach nur still dazustehen und zuzuschauen. Sie verging vor
Ungeduld. Am liebsten wäre sie von einem Bein aufs andere gehüpft. »So handhabt
man wahrscheinlich auch Antikenfunde«, mutmaßte sie. »Kein Wunder, dass du
meintest, dazu brauche es Geduld. Dabei ist das hier doch bloß eine Kiste! Wie
aufregend muss es erst sein, einen Tempel oder eine Grabkammer freizulegen?
Nicht einmal meine Fantasie reicht aus, um mir das vorzustellen. Dauert
es noch lange?«
»Sand lässt sich leichter entfernen«, sagte Lisle. »Und wir
haben natürlich Arbeiter, die uns zur Hand gehen. Trotzdem ist es ... Gibt es
Probleme, Nichols?«
»Schwer zu
sagen, Euer Lordschaft«, erwiderte Nichols. »Doch mir schien es ratsam,
Vorsicht walten zu lassen.«
»Sie wird
doch nicht explodieren, oder?«, fragte Olivia aufgeregt. »Cousin Frederick hatte
einen recht speziellen Sinn für Humor.«
»Keine
Sorge, Miss«, sagte Nichols. »Mir war nur eben aufgefallen, dass gewisse
Stilelemente auf ein deutsches Fabrikat aus dem sechzehnten oder siebzehnten
Jahrhundert schließen lassen.«
Nun meinte
sie, auch ihren Ohren nicht mehr zu trauen. Nicht einfach nur eine Schatztruhe,
sondern ... »Deutsches Fabrikat«, wiederholte sie. »Sechzehntes oder
siebzehntes Jahrhundert.«
»Was ist?«,
fragte Lisle sie. »Warum schaust du so?«
»Wie?«
»Als ob du gleich explodieren würdest.«
Sie trat
neben Nichols. »Diese Kisten sind berühmt «,
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