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Loretta Chase

Loretta Chase

Titel: Loretta Chase Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ein skandalös perfekter Lord
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verwirklichen
können.«
    »Ambitionen?«,
wiederholte Bathsheba so verblüfft, dass sie aufhörte zu rechnen. »Wozu braucht
er denn Ambitionen, wo er doch einfach nur zu leben braucht?« Sie wandte
sich an den jungen Lord Lisle. »Eines Tages wirst du Marquess of Atherton
sein«, klärte sie ihn auf. »Da kannst du so schlecht zeichnen, malen und
bildhauern, wie du willst – niemand wird sich daran stören. Alle Welt wird
deine Empfindsamkeit loben und deinen Blick für das Schöne. Sie werden dich um
eines deiner Werke bitten, welches sie in ihren
Stallungen ausstellen oder in einem Schlafzimmer, das für Gäste reserviert ist,
die man alsbald wieder loszuwerden wünscht. Warum willst du dich da mit
langweiligen Zeichenstunden quälen?«
    »Ich weiß,
dass ich eines Tages Marquess of Atherton sein werde«, gab der Junge
geduldig zurück. »Aber ich will auch Entdecker werden und Ägypten erforschen.
Und ein Entdecker muss zeichnen können.«
    »Du
könntest jemanden anstellen, der für dich zeichnet«, entgegnete sie.
    »Das war
ein Wink mit dem Zaunpfahl, Lisle«, sagte Rathbourne. »Die Dame ist nicht
gerade darauf versessen, dich als Zeichenschüler zu haben.«
    »Sie haben
nicht richtig zugehört«, erwiderte sie. »Das habe ich nicht gemeint.«
    »Ich weiß,
was Sie gemeint haben«, sagte der Junge. »Sie glauben, dass es mir damit
nicht ernst ist.«
    »Du
solltest dir sicher sein, dass es dir wirklich ernst damit ist«,
bestätigte sie und sah dabei selber ganz ernst drein, wozu sie sich nur gewisse
Umstände in Erinnerung rufen musste, die das verlockernd schimmernde Honorar in
weite Ferne rücken ließen. »Wie deinem Onkel sicher bewusst ist, müsste ich für
dich gesonderte Vereinbarungen treffen. Auch halte ich es nicht für ratsam, die
Diskussion darüber hier mitten auf der Straße fortzuführen.«
    Sie
erlaubte sich, Lord Rathbournes Blick zu begegnen. Sah sie etwa Erleichterung
in diesen dunklen Augen?
    Es war nur
ein kaum merkliches Aufscheinen, doch es war in der Tat eine Gefühlsregung –
und was, wenn nicht Erleichterung sollte es sein?
    Sie hätte
es sich denken können: Wenn Lord Rathbourne ihren Namen wusste, dürfte er auch
den Rest wissen. Wahrscheinlich gab es nicht einen einzigen Angehörigen seiner Kreise, der
nicht bestens über Bathsheba Wingate im Bilde war.
    In diesem
Fall konnte es ihm nicht damit ernst sein, sie zu verpflichten. Er war nur
gekommen, um dem Jungen einen Gefallen zu tun ... oder vielleicht sich selbst.
Vielleicht hatte er ganz anderes im Sinn, und der Junge bot ihm nur einen
willkommenen Vorwand.
    Niemand
erwartete von einem Mann – auch nicht von einem tadellos perfekten –, dass er
enthaltsam lebe. Solange er die nötige Diskretion walten ließe, konnte er sich
ruhig eine Geliebte halten und würde der Welt immer noch als ehrenwerte Verkörperung
adeliger Tugend gelten.
    »Was denn
für gesonderte Vereinbarungen?«, wollte Lord Lisle wissen.
    »Wir halten
die Dame von ihren anderen Schülern fern«, sagte Rathbourne. »Wir beide
werden ein andermal darüber sprechen, Lisle.«
    »Bitte tun
Sie das«, sagte sie und hob ihr Kinn. »Sollten Sie beschließen, die
Angelegenheit weiterzuverfolgen, können Sie mir über Mr. Popham, den
Grafikhändler, gern eine Nachricht zukommen lassen. Auf Wiedersehen.« Sie
eilte davon, mit glühenden Wangen und zornigen Tränen, die ihr in den Augen
brannten, die sie aber ganz gewiss nicht vor ihm vergießen würde.

Kapitel 3
    Bathsheba hatte ganz richtig vermutet, dass
Olivia längst eine ihrer Ideen gehabt und in Lord Lisle fette Beute gewittert
hatte. Seit sie nach London gekommen waren, und das war nun schon fast ein Jahr
her, hatte die Idee langsam in ihr Gestalt angenommen.
    London war
längst nicht so vergnüglich wie Dublin. In London machte ihre Mutter ihr viel
zu viele Vorschriften. Außerdem musste sie jeden Tag zur Schule gehen und sich
von einer Lehrerin mit verkniffenem Gesicht und keifender Stimme zu Tode
langweilen lassen.
    In Dublin,
als Papa noch gelebt hatte, war das Leben viel lustiger gewesen. Mama war nicht
so streng gewesen. Sie hatte mehr gelacht. Sie hatte sich spannende Spiele
ausgedacht und wunderbare Geschichten erzählt.
    All das
hatte sich geändert, als Papa gestorben war.
    Obwohl er
sie gebeten hatte, nicht traurig zu sein – er hätte in seinem ganzen Leben
nicht so viel Spaß gehabt wie mit seiner Frau und seiner Tochter, hatte er ihnen
versichert –, war es doch unmöglich, ihn nicht zu

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