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Loretta Chase

Loretta Chase

Titel: Loretta Chase Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ein skandalös perfekter Lord
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Peregrine von seinen Eltern – und von seinen Großeltern väterlicherseits
erst recht. Die Dalmays mussten stets fürchterlich dramatische Szenen machen
und ließen ihn sich dafür immer schuldig fühlen, obwohl er eigentlich gar nicht
wusste, wofür er sich schuldig fühlen sollte. Aber Logik schien keinen Platz zu
haben in den Denkprozessen seiner Verwandten, falls sie überhaupt jemals
nachdachten, was Peregrine gelegentlich bezweifelte.
    Das war
einer der vielen Gründe, weswegen er lieber bei seinem Onkel war. Lord
Rathbourne war ruhig und bedächtig. In seinem Haus ging es auch ruhig und
bedächtig zu. Er machte keine Szenen. Niemals tobte er durch das Haus und hielt
lange, leidenschaftliche Monologe, die keinen Sinn ergaben. Eigentlich verlor
er nie die Beherrschung, wenngleich er hin und wieder ein bisschen verärgert
sein konnte. Dann klang seine Stimme noch ruhiger und bedächtiger als sonst,
und sein Gesicht wurde so still und reglos, als wäre es aus Marmor. Aber eine
Szene machte er nie. Niemals. Wegen gar nichts.
    Bei seinem
Onkel lauerte Peregrine nicht die ganze Zeit angespannt auf den Ausbruch des
nächsten Sturms. Bei seinem Onkel wusste Peregrine immer genau, woran er war
und was von ihm erwartet wurde.
    Zumindest
bis Mittwochabend.
    Bevor er
auf seine Gemächer ging, um sich zum Ausgehen anzukleiden, hatte Lord
Rathbourne im Arbeitszimmer vorbeigeschaut, wo Peregrine seine
Griechisch-Hausaufgaben machte. Nachdem er zwei kleine Korrekturen vorgenommen
hatte, hatte Seine Lordschaft Peregrine wissen lassen, dass Mrs. Wingate als
Zeichenlehrerin »nicht geeignet« sei.
    So
überrascht und verwundert war Peregrine, dass er nicht umhin kam, die Logik
dieser Feststellung zu hinterfragen.
    »Das
verstehe ich nicht, Sir«, sagte er. »Was soll an ihr denn nicht geeignet
sein? Sagten Sie nicht selbst, dass ihr Aquarell brillant sei? Sie schienen es
sehr zu bewundern. Und sie selbst fanden Sie anscheinend auch recht nett.
Natürlich lässt sich das schwer beurteilen, weil Sie vielleicht nur höflich zu
ihr waren, da es sich für einen Gentleman gehört, höflich und nett zu sein.
Wenn ich dagegen nur so tue, als ob ich jemanden mag, merkt man den Unterschied
immer sofort. Und sie war auch überhaupt nicht dumm oder langweilig. Ganz im
Gegenteil, oder? Kam sie Ihnen für eine Frau nicht auch außergewöhnlich
intelligent vor?«
    Lord
Rathbourne beantwortete keine einzige dieser Fragen. Stattdessen wurde sein
Gesicht marmorstill und vollkommen reglos. Als er sprach, tat er dies betont
ruhig und bedächtig. »Ich sagte, dass sie nicht geeignet sei, Lisle. Ende der
Diskussion.«
    »Aber, Sir ...«
    »Ich wüsste
wahrlich nicht, was ermüdender wäre, als von einem dreizehnjährigen Jungen
gemaßregelt zu werden«, sagte Lord Rathbourne.
    Peregrine
kannte diesen höchst gelangweilten Ton. Er bedeutete, dass das Thema beendet
war.
    Das war ein
Schock. Normalerweise war Seine Lordschaft der logischste und vernünftigste
Erwachsene der Welt. Und nun verhielt er sich völlig unlogisch. Wäre Peregrine
nicht so überrascht gewesen, hätte er seinen Onkel nicht so angestrengt
angestarrt. Dann hätte er es nicht gesehen. Aber er starrte ihn an, und er sah
es. Einen zuckenden Muskel. Nur einmal, ganz kurz und kaum merklich, an der
äußersten Ecke des rechten Wangenbeines seines sonst so beherrschten Onkels. Da
wusste Peregrine, dass es mit Mrs. Wingate ein ernsthaftes Problem gab – oder
vielmehr ein Ernsthaftes Problem, um es wie Olivia auszudrücken.
    Wenn Lord
Rathbourne ihm nicht verraten wollte, was es war, musste es wirklich sehr ernst
sein.
    Und wenn er
nicht mit Peregrine darüber sprach, würden andere Erwachsene es erst recht nicht
tun. Wäre Peregrine so dumm, jemanden zu fragen, würde der oder die nur sagen:
»Wenn es für deine Ohren bestimmt wäre, hätte Lord Rathbourne es dir schon
erzählt.«
    Den ganzen
Freitag und Samstag über versuchte Peregrine, sich den Brief aus dem Kopf zu
schlagen. Das Mädchen war wirklich dumm – Herrgott, sie wollte ein Ritter
werden! –, und da er sie nie wiedersehen würde, mussten ihn auch ihre
Familiengeheimnisse nicht kümmern.
    Das Problem
war nur, dass er als angehender Entdecker geradezu berufen war, Geheimnisse aufzudecken.
In jüngster Zeit hatte er sich seinen Latein- und Griechischaufgaben mit einem
Eifer zugewandt, den er zuvor nie hatte aufbringen können. Beide Sprachen waren
unabdingbar, wollte man die Geheimnisse der alten Ägypter entschlüsseln.

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