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Loretta Chase

Loretta Chase

Titel: Loretta Chase Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ein skandalös perfekter Lord
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Schultern hielt. Was
immer es auch sein mochte, sie bezweifelte, dass der Mann, der er im Innern
war, gänzlich im Reinen war mit jenem, der sich nach außen zeigte.
    »Vielleicht
bin ich ja der Unsitte der Bescheidenheit verfallen«, sagte sie. »Wie
enttäuscht meine Eltern von mir wären!«
    Weder ihre
Mutter noch ihr Vater waren jemals davor zurückgeschreckt, anderer Leute
Schwächen auszunutzen. Beide waren frei von Skrupeln.
    »Einmal
das«, meinte er. »Dazu kommt, dass Sie nicht aus London sind. Sie wissen
nicht, wie Sie sich die Stadt richtig zunutze machen. Wie die meisten meiner
Bekannten kennen Sie Ihre bestimmten Ecken der Stadt, aber Sie kennen nicht
alle ihrer immerneuen Reize.«
    »London ist
wie Kleopatra für Sie?«, fragte sie und lächelte bei der Vorstellung, dass
dieser blasierte Aristokrat eine geheime Leidenschaft für die riesige,
rauchverhangene Metropole hegte. »Nicht kann sie Alter hinwelken, täglich Sehn
an ihr nicht stumpfen die immerneue Reizung?«
    Er nickte.
»Sie kennen Ihren Shakespeare.«
    »Aber nicht
mein London, wie es scheint.«
    »Das wäre
auch kaum möglich«, sagte er. »Wie lange leben Sie jetzt hier? Ein
Jahr?«
    »Nicht ganz.«
    »Ich habe
fast mein ganzes Leben hier zugebracht«, meinte er. »Ich bin geradezu
ungehörig vertraut mit dieser Stadt.«
    Er fuhr
fort, ihr ausführlichst das neue Viertel sowie die nähere Umgebung von
Bloomsbury zu schildern, einschließlich Empfehlungen, welche Geschäfte und
Händler man aufsuchen könne und welche man besser meide.
    Viel zu
früh, so fand Bathsheba, erreichten sie den Bleeding Heart Yard. Sie hätte ihm
ruhig noch eine Weile zuhören mögen. Er liebte London, so viel war klar, und
seine Schilderungen ließen ihr die Stadt in ganz neuem Licht erscheinen. Heute
Nachmittag war sie ihr noch wie eine Festung erschienen, kalt und abweisend,
die ihre Tore
vor ihr verschlossen hielt. Nun hatte er sie ihr erschlossen und sie dort
Zuflucht finden lassen.
    Und das war
längst nicht alles, was er heute für sie getan hatte, wurde ihr auf einmal
bewusst. Vorhin noch hatte sie gemeint, von der Last ihrer Sorgen
niedergedrückt zu werden. Rathbourne hatte ihr eine schwere Bürde abgenommen.
Das war ihr nie zuvor passiert.
    Ihre Eltern
hatten Geld ebenso schnell ausgegeben, wie sie darangelangt waren und gaben es
auch dann noch mit vollen Händen aus, wenn längst keines mehr da war. Wenn
Gläubiger und Vermieter Scherereien machten, packten Mama und Papa bei Nacht
und Nebel ihre Sachen und zogen weiter.
    Wenngleich
Jack weitaus ehrenwerter war, so war er doch keineswegs hilfreicher gewesen. Er
hatte sie leidenschaftlich geliebt, das wohl, war aber hoffnungslos
verantwortungslos und pflichtvergessen. Die praktischen Probleme des Alltags
überstiegen seinen Erfahrungshorizont. Er sah sie einfach nicht,
geschweige denn, dass er sich Gedanken darüber gemacht oder Lösungen gefunden
hätte. Vom Wert des Geldes hatte er keine Vorstellung. Was einem der gesunde
Menschenverstand gebot, nämlich nicht über seine Verhältnisse zu leben, war ihm
völlig fremd.
    Dieser Mann
hier indes, der ihr fremd war, der sie nicht einmal liebte, hatte ihre Finanzen
geordnet, ihr den Weg zu genau dem richtigen Zuhause geebnet und ihr geraten,
wie sie mehr Einkünfte erzielen und Geld sparen konnte. Als wäre London ein
mechanisches Spielzeug, hatte er die Stadt für sie in ihre Einzelteile zerlegt
und ihr gezeigt, wie sie funktionierte.
    Die
Droschke hielt an. Bathsheba wollte sich noch nicht von ihm trennen, wusste
aber keine Entschuldigung, noch länger zu bleiben.
    »Danke«,
sagte sie und lachte kurz auf. »Ein einziges dürftiges Wort, das nicht
annähernd beschreibt, was ich empfinde. Wäre ich nur Shakespeare! Der bin ich
aber nicht. Danke muss daher die Arbeit von Bänden kluger Verse
übernehmen.« So hatte sie sich das gedacht. Sie hatte allein Worte
sprechen lassen wollen. Aber ihr Trübsinn war verflogen, und sie war voller
Zuversicht. Einen Moment lang schien alles möglich, und so wagte sie, sich ein
Stück vorzulehnen und Rathbourne einen flüchtigen Kuss auf die Wange zu geben.
    In just
diesem Moment wandte er den Kopf, und dann war sein Mund auf dem ihren, seine
Hand schloss sich um ihren Nacken, und das Verhängnis nahm seinen Lauf.
    Benedict
hätte sich ihr nicht zuwenden sollen.
    Er hätte
nicht diese pflaumenreifen Lippen mit den seinen suchen sollen.
    Hatte er
aber – und sowie sein Mund den ihren berührte, war es um seine

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