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Lorettas letzter Vorhang

Lorettas letzter Vorhang

Titel: Lorettas letzter Vorhang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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lehrt Dankbarkeit und Gehorsam gegen Gott, was man allerdings auch übertreiben kann. Ich jedenfalls bin davon überzeugt, daß auch Gott sich gerne mal amüsiert.»
    Das war ein Resümee ganz nach Augustas Geschmack, aber sie hätte trotzdem zu gerne ein anderes Thema angeschnitten, irgendeines, wenn es nur schnell von der frömmelnden Gruppe im Bauerschen Salon fortführte. Andererseitsinteressierte sie sich brennend für bemerkenswerte Lebensgeschichten. Doch sie mußte Madame van Witten gar nicht ermuntern, die Senatorin fuhr schon fort: «Sie hat es nicht leicht gehabt, obwohl sich ja dann doch alles zum Guten gewendet hat. Bellham ist ein reizender Mensch, und er verehrt seine Magdalena aufrichtig.»
    Man wisse ja, was aus Ehen, die von den Eltern arrangiert würden, ohne daß das Paar sich genug kenne, werden könne. Sie wisse da Geschichten, tragisch, wirklich tragisch, aber Magdalena habe Glück gehabt. Die Heirat mit dem englischen Witwer – seine Kinder aus der ersten Ehe seien ja nun schon aus dem Haus, und gewiß hätten sie in Magdalena eine etwas junge, aber äußerst brave Stiefmutter gehabt   –, also die Ehe sei von ihrem Vater arrangiert worden, der schon lange mit Bellham in Geschäftsverbindungen gestanden habe.
    «Gewiß hätte er auch ein englisches Mädchen heiraten können, aber nein, er hat sich für Magdalena entschieden, obwohl er nur eine Miniatur von ihr kannte. Und unter uns gesagt, Magdalena war als junges Ding nicht besonders hübsch. Das kann man nicht behaupten, aber gewiß lag es nur an ihrer Schüchternheit. Die hat sie ja nun abgelegt, und   …»
    «Unbedingt», fiel ihr Agnes ins Wort, die sich während der letzten Sätze zu der Runde um die Senatorin gesellt hatte und ihre Cousine stets verteidigte. «Als Mädchen war sie wohl langweilig und schrecklich brav, aber sie ist doch recht hübsch geworden auf ihre Art, und sie ist nicht dumm. Wirklich nicht dumm.»
    «…   und die Tragik ihrer Reise nach England», fuhr Madame van Witten ungerührt fort, die die ganze Geschichte sowieso von Agnes kannte und nicht einsah, warum Madame Matthew den Vorzug haben sollte, sie selbst nocheinmal zu erzählen, «und die Tragik ist, daß ihre Eltern, kurz bevor sie ihre Tochter zu ihrem Bräutigam in das ferne fremde Land bringen wollten, an Scharlach starben. Grausam dahingerafft. Ihre einzigen nahen Verwandten, außer unserer lieben Madame Matthew natürlich. Und stellt Euch vor, sie muß damals so alt gewesen sein wie Ihr jetzt.» Im Schwange ihres späten Mitgefühls griff sie in Ermangelung von Magdalenas Hand nach Rosinas und tätschelte sie tröstend. «Sie mußte nun ganz allein mit ihrer Zofe und als einzigem Schutz einem jungen Mann   …»
    «…   nur dem Bruder der Zofe», warf Agnes eifrig dazwischen, «nur ein Kutscher und Knecht und gänzlich unerfahren im Reisen!»
    «Mit diesem Mann als einzigem Schutz reisten die beiden jungen Frauen den Rhein und den Lek hinunter, um in Rotterdam das Schiff nach England zu nehmen.»
    «Und dann», diesmal war Agnes schneller, «stell dir vor, Anne, du bist ja auch schon weit gereist und kannst die Gefahren bestimmt ermessen, dann ist die Zofe verschwunden. Einfach verschwunden, als das Schiff für eine Nacht bei Kaiserswerth anlegte.»
    Alle schwiegen mit der gebotenen Ergriffenheit.
    «Und der Knecht?» fragte Rosina. «Ist der Knecht auch verschwunden?»
    «Nein. Die gute Seele. Er ist bei ihr geblieben und hat sie nach England gebracht. Vielleicht war er doch nicht so ungehobelt, wie man von einem rheinischen Knecht erwarten könnte.» Madame van Witten warf Agnes einen triumphierenden Blick zu, um gleich darauf tief bewegt zu seufzen. «Erst in der Not», sie hob bedeutungsvoll den Finger, «erst in schweren Stunden zeigt sich ein Charakter. Man sagt, das junge Ding sei mit irgendwelchen Komödianten davongelaufen oder mit einer Akrobatentruppe, da soll ein Starker Mann dabeigewesen sein, den sie aus Köln schon kannte. Ich glaube, sie hat sich dort mit ihm verabredet, hat sich die bequeme Reise auf dem Rheinsegler bezahlen lassen und dann ihre Herrin einfach im Stich gelassen. Das glaube ich.»
    Was die anderen Damen in dieser Sache glaubten, konnte Rosina leider nicht mehr hören. Blohm, im besten Feiertagsrock aus glänzend schwarzer Seide und mit frisch frisierter und gepuderter Perücke, verbeugte sich vor den Damen. Der Saal sei soweit, alle Tische weg, und der Herr bitte, Madame Anne möge nun den Beginn des Konzerts

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