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Lost Girl. Im Schatten der Anderen

Lost Girl. Im Schatten der Anderen

Titel: Lost Girl. Im Schatten der Anderen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfram Ströle
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in das Licht des Nachmittags, in den Himmel. Es ist vorbei.

8. Spiessrutenlauf
    M eine Willenskraft wurde noch nie so sehr auf die Probe gestellt. Beim Aussteigen aus dem Bus gelingt es mir nur mit Mühe, mit Nikhil und Sasha zu plaudern, ohne dass mir die Stimme versagt oder ich in Tränen ausbreche und sie erschrecke. Ich tue nach Kräften so, als wäre alles wie immer. Aber wenn ich die beiden ansehe, kann ich nur an eines denken: Ihre Eltern könnten ins Gefängnis kommen, weil ich einen dummen Fehler gemacht habe. Es ist, als ob mir jemand den Boden unter den Füßen wegziehe.
    Erik hat mich gewarnt. Er hat mir gesagt, was ein solcher Fehler uns kosten kann. Ich habe alles versucht, habe monatelang durchgehalten. Aber dann ist es doch passiert. Ich wollte nie Amarra sein und jetzt muss ich dafür büßen.
    Zu Hause setze ich Sasha vor den Fernseher und warte, bis Nikhil nach draußen gegangen ist, um mit ein paar Jungs aus der Nachbarschaft Cricket zu spielen. Sobald er weg ist, renne ich die Treppe hinauf. Ich höre Alisha in ihrem Atelier auf dem Dachboden rumoren. Sie arbeitet fieberhaft an etwas Neuem.
    »Ray weiß alles«, platze ich heraus, bevor sie etwas sagen kann. »Er weiß über mich Bescheid. Was ich bin.«
    Alisha sieht mich erschrocken an. Dann kneift sie die Augen zusammen. »Du bist kein ›Was‹«, sagt sie, »sondern ein ›Jemand‹.« Sie reibt sich die Stirn und hinterlässt einen Klecks Farbe. »Er weiß also, dass du einen neuen Körper hast?«
    »Ja.«
    »Aber begreift er nicht auch, dass du es bist?«
    »Er glaubt es nicht.« Meine Stimme droht zu versagen. »Genauso wenig wie – Dad.« Das Wort hört sich fremd an. »Ray will dafür sorgen, dass alle in der Klasse die Wahrheit erfahren. Vielleicht geht er auch zur Polizei. Oder jemand anders tut es. Ich … wollte euch nur warnen. Ihr könntet mit Nik und Sasha verschwinden, damit die Polizei euch nicht findet. Ins Ausland reisen …«
    Ich klinge hysterisch, aber ich kann mich nicht beherrschen. Ich kann nicht einfach zusehen, wie meine Nenneltern ins Gefängnis gesteckt werden. Das haben Nikhil und Sasha nicht verdient. Oder Alisha. Ich lebe jetzt schon so lange mit ihnen zusammen und sie bedeuten mir etwas. Ich mag sogar Neil. Er macht sich nicht viel aus mir, behandelt mich aber trotzdem freundlich.
    »Amarra«, sagt Alisha ganz ruhig und fest, »hol erst einmal tief Luft.« Sie nimmt mein Gesicht in die Hände und sieht mir in die Augen. »Uns passiert nichts, zumindest noch nicht. Wenn Ray dir nicht zuhört, rede ich mit ihm. Du kennst ihn. Er denkt nicht nach, bevor er handelt. Aber er ist nicht grausam oder gefühllos. Er würde dich nie verraten.«
    »Er glaubt nicht, dass ich Amarra bin«, sage ich noch einmal. Meine Stimme zittert. Ich sehe wieder Rays hasserfülltes Gesicht. Wie das Licht in seinen Augen erlosch und er jemand anders wurde. Ich mochte den Jungen, der er war, mit all seinen Macken. Er war so nett und witzig. Ich mochte, dass er mich mochte. Verdient habe ich es nicht. Ich habe ihn betrogen, ihn angelogen. Dafür wird er mich ewig hassen.
    »Aber du bist es doch«, beharrt Alisha.
    Ich nicke. Selbst jetzt muss ich die Illusion aufrechterhalten. Natürlich könnte ich Alisha die Wahrheit sagen, herausschreien, dass die anderen Recht haben und ich nicht Amarra bin. Aber ich habe erlebt, welche Schmerzen diese Wahrheit verursacht. Erst vor einer Stunde habe ich es in Rays Gesicht gesehen. Wie kann ich Alisha also sagen, dass ihre Tochter tot ist? Wenn ihre eigene Familie ihr die wenige Hoffnung, die ihr noch geblieben ist, nicht nehmen will, wie kann ich es tun?
    »Ich rede mit ihm«, sagt Alisha. »Wenn er einsieht, was er mit seinem Misstrauen anrichtet, wird er sich beruhigen.« Ihr Körper strafft sich und sie lächelt mich an, obwohl ich in ihren Augen auch Angst erkenne. »Du bleibst hier und passt auf Sasha auf, Schatz. Ich spreche mit Ray.«
    »Aber …« Ich will ihr sagen, dass das nicht gut gehen kann, aber sie muss es tun. Sie wird nicht ihr Leben und das ihres Mannes und ihrer Kinder aufgeben, solange noch die Möglichkeit besteht, bei Ray Verständnis für ihre Gefühle zu wecken.
    Also ergebe ich mich in mein Schicksal. »Es tut mir leid«, flüstere ich.
    Alishas Gesicht wird weich. »Jeder macht Fehler«, sagt sie. »Das ist kein Verbrechen.« Für einen Moment wirkt sie unsicher und ich frage mich schon, ob sie jetzt mich sieht statt Amarra. Sie schließt kurz die Augen. »Du bist

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