Lost Land, Der Aufbruch
gewesen und wusste daher schon lange, dass er das bisschen Glück, das der Zufall ihm schenkte, beim Schopf packen musste.
Er reckte die Finger, so hoch er konnte, und klammerte sich am Grubenrand fest, aber die Erde dort war lockerer, von Schaufeln abgestochen und von vielen Menschen zertrampelt, die sich nach vorn gebeugt hatten, um die Kämpfe in der Tiefe verfolgen zu können. Chong grub seine Fingernägel so heftig in den Dreck, dass er ihm ins Gesicht rieselte. Er spuckte und hustete und schüttelte den Kopf wie ein Hund, um die Erde aus den Augen zu bekommen.
Plötzlich schloss sich etwas um sein Handgelenk. Ein fester Griff, so hart wie Eisen. Und im nächsten Moment wurde er auch schon aus der Grube gezogen.
Chong öffnete die Lippen, um zu schreien, aber eine zweite Hand schoss hervor und presste sich auf seinen Mund.
Man hatte ihn entdeckt!
Lilah hockte auf dem Ast eines Baums und starrte auf die Fassade Gamelands. Seit zwei Stunden beobachtete sie nun schon, wie Leute auf Pferden und in gepanzerten Fuhrwerken am ehemaligen Wawona Hotel eintrafen â Leute aus den Städten und solche, die ohne viel Komfort im Leichenland lebten. Sie kamen, um die Z  -  Spiele zu sehen, um Wetten auf das Leben und den Tod von Kindern in den Zombiegruben abzuschlieÃen. Am liebsten hätte sie sich mit ihrem Speer auf sie gestürzt, um ihnen zu zeigen, wie es sich anfühlte, gejagt zu werden. Den ganzen Weg bis hierher hatte sie gehofft, auf Benny und Nix zu stoÃen, hatte aber nur deren FuÃabdrücke gefunden ⦠und später Spuren eines Handgemenges vor dem Hotel. Lilah war sich sicher, dass man die beiden gefangen genommen hatten.
Das Wissen, dass schlechte Menschen diesen Ort übernommen hatten, schmerzte Lilah. Tom war davon ausgegangen, dass das Hotel sicher war, dass sie sich dort ausruhen und auf die Wanderung nach Osten vorbereiten konnten.
Was würde Tom tun, wenn er es herausfand? Wo war er? Und wo war Chong?
Der Greenman hatte ihr eine Karte gegeben, ihr darauf den schnellsten Weg gezeigt und sie durch den Wald bis zum Rand eines Felds geführt, das entlang der StraÃe nach Wawona verlief. Aber er hatte sich geweigert, sie zu begleiten.
»Es wird einen Kampf geben«, hatte Lilah gesagt. »Willst du nicht mitkommen?«
Doch er hatte sie nur mit seinen Augen angelächelt, die uralt und sehr traurig wirkten. »Nein. Ich habe das Kämpfen aufgegeben. Der Kampf hat zu viel von dem Mann geraubt, der ich einst war. Es hat lange gedauert, um mich wiederzufinden. Ich habe entschieden, nie wieder zu kämpfen.«
»Aber ⦠ich brauche dich.«
»Nein, Liebes, du brauchst dich selbst. Du warst verloren, aber ich glaube, dass du dich jetzt wiedergefunden hast. Wenn du dich entschieden hast, aufzubrechen und deinen Freunden zu helfen, dann ist es deine Entscheidung, nicht meine.«
Dann hatte er sie auf die Stirn geküsst und war in den Wäldern verschwunden. Lilah hatte nur dagestanden, auf die raschelnden Blätter geschaut und sich gefragt, ob der Greenman tatsächlich existierte oder ob ihr Besuch bei ihm nur eine Fantasiegeschichte aus einem ihrer Bücher gewesen war. SchlieÃlich hatte sie sich umgedreht und war dem Pfad in Richtung Gameland gefolgt, um sich auf die Jagd zu machen. Sie war einem Dutzend Wachen ausgewichen, an Gräben vorbeigeschlichen, über Zäune gesprungen und hatte den Baum gefunden, von dem aus sie nun das Hotel überblickte.
Dieses Gameland war anders als das, in dem sie und Annie hatten kämpfen müssen. Anders, aber im Grunde dasselbe. Ein paar qualvolle Minuten lang überlegte sie, was sie tun könnte,und wog die Möglichkeiten gegen das ab, was der Greenman ihr geraten und was sie ihm gestanden hatte. Seine Worte hallten in ihrem Kopf nach, nicht lauter als die Worte der Wahnsinnigen in der Arena, sondern leise und auf eine sanfte Art. Sie konnte sie klarer hören und besser verstehen.
Ich will dir etwas sagen, kleine Schwester. Egal, wie du dich entscheidest, du legst dich damit nicht fest ⦠Welche Entscheidung möchtest du jetzt treffen?
Als sie dort hockte, schaute Lilah in ihre eigene Zukunft. Ohne Benny und Nix, Chong und Tom gab es dort nichts. Sie konnte in ihre Höhle zurückkehren und weiterexistieren, aber sie wusste inzwischen, dass ein solches Leben gar kein Leben war. Es war leer, und die Vorstellung, in diese Einsamkeit
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