Lost Land, Der Aufbruch
zuckte dann die Achseln und kniete sich neben den Toten. Benny bemerkte, dass sie bei ihrer Untersuchung auf dieselbe Weise vorging wie Tom. Ihre Reaktion fiel allerdings komplett anders aus: Sie fauchte, riss ihr Messer aus der Scheide und rammte es ohne Zögern in die Schädelbasis des Mannes.
»Wow!«, rief Benny und sprang vor der blitzenden Klinge zurück.
»Immer mit der Ruhe!«, sagte in diesem Moment eine unbekannte Stimme.
Alle fünf wirbelten herum, als direkt hinter Lilah ein Fremder aus dem Wald trat.
»Ganz schön schnell mit dem Messer, die Kleine.«
Der Fremde schien wie aus dem Nichts aufgetaucht zu sein und stand in der Lücke zwischen der hinteren StoÃstange des Lastwagens und einem Wildwechsel, der im schattigen Wald verschwand. Es handelte sich um einen groÃen, breitschultrigen, aber sehr dünnen Mann in einem staubigen schwarzen Mantel und mit einem breitkrempigen schwarzen Hut auf dem Kopf. Lange weiÃe Haarsträhnen schauten darunter hervor, wie Fäden eines Spinnennetzes, und seine dünnen Lippen umspielte ein Lächeln, das an zuckende und sich windende Würmer auf einem heiÃen Blech erinnerte.
Lilah war so verdutzt, dass sie aus purem Reflex nach ihrem Speer griff und mit dem stumpfen Ende voraus nach dem Fremden schlug. Der Mann war mindestens 60 Jahre alt und wirkte von der heiÃen Sonne und den eisigen Wintern in der Sierra regelrecht ausgedörrt, doch er bewegte sich wie ein geölter Blitz. Er wich dem Speer aus, lieà seine linke Hand so plötzlich nach vorn schnellen, dass Benny sie kaum sehen konnte, entriss Lilah die Waffe und schleuderte sie in den Wald. Mit einer flieÃendenBewegung stieà er Lilah unmittelbar darauf mit der flachen Hand gegen die Schulter, sodass sie gegen Nix und Chong prallte. Bevor Benny noch den Griff seines BokutÅ zu fassen bekam, war Tom aufgesprungen und hatte sein glänzendes Katana gezogen. Aber dann tat der Mann etwas, das Benny für vollkommen unmöglich gehalten hätte. Noch bevor Tom den Schwerthieb durchziehen konnte, war der Mann mit dem schwarzen Hut in die bogenförmige Ausholbewegung getreten, hatte den Ellbogen von Toms Schwertarm abgeblockt und hielt Tom jetzt die Spitze seines eigenen Messers an den vorstehenden Adamsapfel.
»Junge, Junge«, sagte der Mann sanft und noch immer lächelnd, »da sitzen wir aber ganz schön in der Patsche.«
Sofort drehte Tom sich um, schlug das Messer von seinem Hals fort, wirbelte noch einmal wie ein Tänzer herum und lieà dabei die Klinge blitzschnell auf den Mann zusausen. Nur ein Haarbreit vor dessen Nase stoppte er ab.
Der Mann schielte auf die Schwertspitze und lächelte belustigt. Langsam hob er sein Messer und tippte damit leicht gegen die Klinge des Schwerts: Ping! Das Geräusch von Metall auf Metall erfüllte die Stille.
»Sagen wir, es steht eins zu eins und der Rest der Partie wurde wegen Regens abgesagt«, schlug der Fremde vor. Ohne abzuwarten, ob Tom einverstanden war, lieà er den Griff des Messers wie ein Zauberkünstler über die Finger gleiten und steckte die 25 Zentimeter lange Klinge in eine Scheide an seinem Gürtel.
Das veranlasste Tom jedoch nicht, sein Schwert zu senken. Er warf einen raschen Blick in den Wald und fragte dann Lilah: »Alles in Ordnung?«
Sie knurrte leise Unverständliches, rappelte sich auf undlegte die Faust drohend auf den Griff der Pistole in ihrem Holster. Nix half Chong auf. Beide wirkten ängstlich und verunsichert. Benny hatte inzwischen sein Holzschwert gezückt und trat rechts neben Tom, um einen Flankenangriff abwehren zu können.
»Okay«, meinte Tom, das Schwert noch immer mit beiden Händen umklammert. »Wer bist du?«
»Würde es dir etwas ausmachen, dein Katana zu senken, Bruder?« Der weiÃhaarige Mann hatte die Hände gehoben und lächelte weiterhin. Seine eisblauen Augen lächelten jedoch nicht. »Wir sind doch unter Freunden hier.«
Benny bemerkte, dass der Mann nicht nur Toms Frage ausgewichen war, sondern auch wusste, was ein Katana war. Interessant.
»âºFreundâ¹ ist ein seltsames Wort für jemanden, der ein junges Mädchen angreift«, erwiderte Tom.
Der Mann schaute schockiert â zumindest tat er so. »Soweit ich mich erinnern kann, Bruder, hat sie versucht, mir mit dem stumpfen Ende ihres Speers die Zähne zu richten. Ich habe ihr einen kleinen Schubs
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