Lost Land
dich, nobel und edel zu klingen, aber du tötest sie.« Benny standen die Tränen in den Augen.
»Ja«, räumte Tom leise ein. »Das tue ich. Ich habe Hunderte von ihnen getötet. Und wenn ich schlau und vorsichtig bin und Glück habe, dann werde ich noch einmal Hunderte töten.«
Benny stieà ihn mit beiden Händen von sich, es gelang ihm aber nur, Tom gerade einmal einen halben Schritt zurückzuschieben. »Ich kapier es nicht!«
»Nein, das tust du nicht. Aber ich hoffe, du wirst es noch begreifen.«
»Du redest von Respekt gegenüber den Toten und trotzdem tötest du sie.«
»Es geht hier nicht ums Töten. Und das sollte es auch nicht.«
»Worum denn dann?«, schnaubte Benny. »Um das Geld?«
»Sind wir reich?«
»Nein.«
»Dann dreht es sich offenkundig auch nicht ums Geld.«
»Um was denn dann?«
»Es geht um den Grund des Tötens. Für die Lebenden ⦠für die Toten«, erklärte Tom. »Es geht um den Abschluss.«
Benny schüttelte den Kopf.
»Komm mit, Kleiner. Es wird Zeit, dass du verstehst, wie die Welt funktioniert. Es wird Zeit, dass du lernst, worum es bei unserem Familienunternehmen geht.«
Sie marschierten viele Meilen unter der heiÃen Sonne. Der Schweià wusch ihnen die Pfefferminzpaste ab und sie mussten sie stündlich neu auftragen. Benny schwieg die meiste Zeit, doch als er sich die ersten Blasen an den FüÃen lief und sein Magen zu knurren begann, wurde er stinkig.
»Sind wir bald da?«
»Nein.«
»Wie weit noch?«
»Ein bisschen.«
»Ich hab Hunger.«
»Wir machen bald Rast.«
»Was gibt es zu Mittag?«
»Bohnen und Dörrfleisch.«
»Ich hasse Dörrfleisch.«
»Hast du was anderes mitgenommen?«, fragte Tom.
»Nein.«
»Dann gibt es Dörrfleisch.«
Die StraÃen, die Tom auswählte, waren schmal und gingen häufig von Asphalt über Schotter zu Lehm über.
»Wir haben schon seit Stunden keine Zombies mehr gesehen«, sagte Benny. »Woran liegt das?«
»Wenn sie nichts hören oder riechen, was sie anzieht, halten sie sich in der Regel in der Nähe ihres Zuhauses auf.«
»Zuhause?«
»Na ja ⦠an den Orten, wo sie vorher gelebt oder gearbeitet haben.«
»Wieso?«
Tom lieà sich eine Weile Zeit mit seiner Antwort. »Es gibt viele Theorien, aber etwas anderes haben wir nicht â nur Theorien. Ein paar Leute behaupten, den Toten fehle die Intelligenz, um zu glauben, es gebe noch einen anderen Ort als den, an dem sie sich befinden. Wenn sie nichts anzieht, bleiben sie einfach, wo sie sind.«
»Aber sie müssen doch jagen, oder nicht?«
»âºMüssenâ¹ ist ein vertrackter Ausdruck dafür. Die meisten Experten stimmen darin überein, dass die Toten angreifen und töten, aber dass sie tatsächlich jagen, ist nicht bewiesen. Jagen beinhaltet ein Bedürfnis und wir wissen nicht, ob die Toten überhaupt Bedürfnisse haben.«
»Das versteh ich nicht.«
Sie stiegen auf einen Hügel und blickten auf eine unbefestigte StraÃe hinab, an der neben einer Trauerweide eine alte Tankstelle stand.
»Hast du jemals gehört, dass einer von ihnen dahingesiecht und verhungert wäre?«, fragte Tom.
»Nein, aber â¦Â«
»Die Leute in der Stadt glauben, dass die Toten überleben, indem sie die Lebenden fressen, richtig?«
»Na ja, schon, aber â¦Â«
»Welche âºLebendenâ¹ fressen sie deiner Meinung nach auf?«
»Hä?«
»Denk darüber nach. Allein in Amerika gibt es jetzt mehr als 300 000 000 lebende Tote. Zähle weitere 300 000 000 in Kanada und 110 000 000 in Mexiko dazu, dann kommst du auf etwa 450 000 000 lebende Tote. Der Untergang hat sich vor 14 Jahren ereignet. Also, was essen sie wohl, um am Leben zu bleiben?«
Benny dachte darüber nach. »Mr Feeney sagt, sie fressen einander auf.«
»Tun sie nicht«, sagte Tom. »Sobald eine Leiche kalt geworden ist, lassen sie die Finger davon. Deshalb gibt es so viele angefressene lebende Tote. Sie selbst greifen einander nicht an und fressen sich auch nicht, selbst wenn man sie jahrelang in dasselbe Haus einsperrt. Derartige Versuche hat es gegeben.«
»Und was passiert mit ihnen?«
»Mit den Eingeschlossenen? Gar nichts.«
»Nichts? Verwesen und sterben sie denn
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