Lost Land
wollte kurz bei euch vorbeischauen. Und Benny den Lauf der Dinge in dieser Welt erklären. Er war noch nie auÃerhalb des Zauns.«
Benny fiel auf, dass Tom das Wort »dieser« betont hatte.
Bruder David trat näher und kratzte sich dabei am Bart. Aus dieser Nähe erkannte Benny, dass er älter war als auf den ersten Blick vermutet. 40 vielleicht; er hatte dunkelbraune Augen und ihm fehlten schon ein paar Zähne. Seine Kleidung war sauber, aber fadenscheinig. Er roch nach Blumen, Knoblauch und Minze. Der Mann musterte Benny eine ganze Weile, während Tom schweigend dastand und Benny von einem Bein auf das andere trat.
»Er ist kein Gläubiger«, sagte Bruder David.
»Zu glauben ist schwierig in diesen Zeiten«, erklärte Tom.
»Du glaubst.«
»Sehen heiÃt glauben.«
Benny fand, dass dieser Wortwechsel den Tonfall einer kirchlichen Litanei besaÃ, so als hätten die beiden diese Worte schon oft gesagt und würden sie auch zukünftig noch oft wiederholen.
Bruder David beugte sich zu Benny vor. »Sag mir, jungerBruder, bist du hergekommen, um Schmerz und Leid über die Kinder Gottes zu bringen?«
»Ãh ⦠nein.«
»Bringst du Schmerz und Leid über die Kinder Lazarusâ?«
»Ich weià nicht, wer die Kinder Lazarusâ sind, Mister. Ich begleite nur meinen Bruder.«
Bruder David drehte sich zu den Frauen um, die den Zombie mit sanften StöÃen zur Rückseite des Gebäudes dirigierten. »Der alte Roger hier ist einer von Lazarusâ Kindern.«
»Was? Sie meinen, er ist kein Zomâ¦Â«
Tom räusperte sich, um ihn zum Schweigen zu bringen.
Ein nachsichtiges Lächeln huschte über Bruder Davids Gesicht. »Dieses Wort verwenden wir nicht, kleiner Bruder.«
Benny wusste nicht, was er darauf erwidern sollte und schwieg. Doch Tom kam ihm zu Hilfe.
»Der Name stammt von Lazarus von Bethanien, einem Mann, den Jesus von den Toten erweckt hat.«
»Ja, ich erinnere mich ⦠hab schon mal in der Kirche davon gehört.«
Bei dem Wort »Kirche« hellte sich Bruder Davids Miene auf. »Du glaubst an Gott?«, fragte er hoffnungsvoll.
»Ich denke schon â¦Â«
»Das ist in diesen Zeiten schon weit mehr, als man von vielen behaupten kann«, sagte Bruder David und zwinkerte Tom verstohlen zu.
Benny schaute an Bruder David vorbei zu der Stelle, zu der die Mädchen den Zombie geführt hatten. »Ich bin gerade total durcheinander. Dieser Mann hier war ein ⦠Er ist tot, richtig?«
»Ein lebender Toter«, korrigierte Bruder David.
»Genau. Warum hat er nicht versucht, einen von uns â¦Â« Benny verstummte und stellte pantomimisch Zupacken und BeiÃen dar.
»Er hat keine Zähne«, erklärte Tom. »Und du hast seine Hände gesehen.«
Benny nickte. »Waren Sie das?«, fragte er Bruder David.
»Nein, kleiner Bruder«, sagte Bruder David und verzog dabei das Gesicht. »Nein, das haben andere dem alten Roger angetan.«
»Wer?«, hakte Benny nach.
»Meinst du nicht eher, warum?«
»Nein ⦠wer? Wer tut so etwas?«
»Der alte Roger ist nur eines der Kinder Lazarusâ, die man so gefoltert hat«, erklärte Bruder David. »Man sieht sie überall hier in der Gegend. Männer und Frauen, denen man die Augen ausgestochen, die Zähne gezogen oder den Kiefer weggeschossen hat. Den meisten fehlen Finger oder die ganze Hand. Und über manches andere, das ich gesehen habe, will ich gar nicht erst reden. Das sind Dinge, für die du noch zu jung bist, kleiner Bruder.«
»Ich bin 15«, widersprach Benny.
»Du bist noch zu jung. Ich erinnere mich an die Zeit, als man mit 15 noch als ein Kind galt.« Bruder David wandte sich ab und sah, wie die beiden jungen Frauen ohne den alten Zombie zurückkehrten.
»Er ist im Schuppen«, verkündete das schwarze Mädchen.
»Aber er ist aufgewühlt«, sagte die andere junge Frau, eine blasse Rothaarige Mitte 20.
»Er wird sich nach einer Weile beruhigen«, erwiderte Bruder David.
Die Frauen standen neben der Zapfsäule und warfen Tominteressierte Blicke zu, der jedoch plötzlich von den Bewegungen der Wolken total fasziniert zu sein schien. Normalerweise hätte Benny jetzt einen Witz auf Toms Kosten gemacht, doch ihm war nicht danach. Er wandte sich wieder dem Bärtigen zu.
»Wer tut das alles, wovon Sie gesprochen
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