Lost on Nairne Island
Drei-Gänge-Menü an Fingernägeln zerkaut. Angefangen hatte ich mit dem Nagel des kleinen Fingers als Vorspeise, hatte dann weitergemacht mit dem sehr sättigenden â und äuÃerst wohlschmeckenden â Zeigefinger und beendete mein angstvolles, aber keratinreiches Mahl soeben mit dem Nagel des Daumens.
»Ich hab sie nicht weggeschmissen. Hätte ich das tun sollen?« Am liebsten hätte ich mir selbst in den Hintern getreten dafür, dass ich Anita um Rat fragte. Ich traute ihr zu, dass sie sich irgendein ausgefeiltes Ritual einfallen lassen würde, bei dem ich die Muscheln auf einem Berggipfel verbrennen musste, und das Ganze am besten bei Mondfinsternis oder so.
»Nein. Auf gar keinen Fall. Die Muscheln sind eine Art Botschaft.«
»Warum konnte sie mir nicht einfach eine verdammte SMS schreiben? Oder ein Inserat in die örtliche Zeitung setzen?«
»Jetzt mach dich bitte nicht über die Geisterwelt lustig. Du kannst weià Gott nicht noch mehr schlechtes Karma gebrauchen. Dann lass es später meinetwegen an einem kleinen Hündchen oder an einer alten Oma aus, herrje.« Anita stieà ein angewidertes Seufzen aus.
»Was soll das denn bitte für eine Botschaft sein, ein Albtraum und ein Haufen Muscheln?«
»Keine Ahnung, aber sie will dir eindeutig etwas sagen.«
»Vielleicht will sie mich einfach nur aus ihrem Zimmer vergraulen.«
»Das bezweifle ich. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es einen Geist interessiert, wer in seinem Zimmer wohnt. Bestimmt will sie, dass du herausfindest, was passiert ist. Damit du ihren Tod rächen kannst oder so.«
»Ihren Tod rächen? Was denkt sie denn, wer ich bin, so eine Art Teenieverschnitt von Chuck Norris?«
»Glaub ich nicht. Schätze mal, sie hat sonst niemanden und muss sich mit dir zufrieden geben.«
Ich lag auf dem Bett und hatte die Beine gegen die Wand gestemmt. Während wir uns unterhielten, zupfte ich an dem Flaum oben auf Mr Stripes Kopf herum.
»Ich kann mir vorstellen, wie enttäuscht sie sein muss, dass sie mit mir als Rächerin auskommen muss.«
»Jetzt hör mal auf mit diesem negativen Mantra und sei etwas selbstbewusster. Ich glaube, du solltest die Muscheln in die Hand nehmen und dabei meditieren, vielleicht schickt sie dir dann noch eine Botschaft.«
»Ich will aber gar keine Botschaft mehr. Ich will, dass sie verschwindet und mich in Ruhe lässt. Ich hab echt genug eigene Probleme, mit denen ich klarkommen muss. Ich kann mich nicht auch noch um ihre kümmern.«
»Der schnellste Weg, sie wieder loszuwerden, ist, ihr zuzuhören und herauszufinden, was sie dir sagen will. Gib ihr eine Chance â immerhin ist sie tot. Wenn sie nicht schon zu Lebzeiten durch Gehirnverletzung beeinträchtigt gewesen wäre, könnte sie dir vielleicht deutlicher mitteilen, was sie von dir will. Ist ja nicht ihre Schuld, dass durch den Tod ihre Kommunikationsmöglichkeiten nicht gerade verbessert wurden.«
»Und was, wenn es gar keine Botschaft ist? Was, wenn es etwas viel Schlimmeres ist?«
»Schlimmeres? Eine Botschaft ist ja im Grunde nichts Schlimmes, wie kommst du also darauf, es könnte schlimmer sein? Du hast doch totales Glück. Sie hat sich ausgerechnet dich ausgesucht, von dort aus dem Jenseits. Mir ist so was noch nie passiert. Ich könnte auf einem entweihten Indianerfriedhof wohnen und trotzdem würde mich kein Geist aufsuchen.«
»Und was, wenn es gar kein Geist ist?« Ich hielt den Atem an und wartete gespannt auf ihre Antwort.
»Oh nein, tu das nicht. Tu das bitte nicht.«
»Was soll ich nicht tun?«
»Du machst dir Gedanken, dass du verrückt wirst. Hast Angst, du könntest auf direktem Weg in die Klapse sein. Siehst dich selbst schon in der Zwangsjacke. Hast das Gefühl, du bist reif für die Anstalt.«
»Du machst bestimmt mal Karriere als Sozialpädagogin. Irgendwie hast du so eine einfühlsame Art.« Ich tat so, als wäre ich total genervt, während ich in Wirklichkeit richtig erleichtert war. Wenn Anita ernsthaft denken würde, dass ich langsam durchdrehte, würde sie keine Witze darüber reiÃen. »Wenn du jemals eine Empfehlung für einen Job als psychologische Beraterin brauchst, dann lass es mich nur wissen.«
»Regel Nummer eins des Beste-Freundinnen-Manifests: Sei immer ehrlich. Wenn ich dich für verrückt halten würde, hätte
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